Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
streichelten liebevoll Vanessas Hals.
»Vor einem halben Jahr ist ihre Mutter gestorben, und ich konnte Maria überreden, nach Hamburg zu kommen. Sie hat jetzt endlich eine Wohnung gefunden und wird hier ihr St udium beenden.«
Vanessa fiel es immer noch schwer zu verstehen, wie sie ihm so hatte Unrecht tun können. »Tut mir leid, dass ich … ich so ausgeflippt bin. Ich hätte dich nicht schlagen dürfen.«
Jonas wirkte nachdenklich. »Du hast bereits deine Erfahrung mit Untreue, hab ich recht?«
Vanessa wollte nicht daran denken. Die Erinnerung war noch zerstörerischer als Zahnseide und Scherben. Erschöpft rieb sie sich das Gesicht. »Der Schaden, der dabei entsteht, ist wie ein Geschwür, und du wirst es nicht los. Selbst wenn du ve rsuchst, es wegzuschneiden, wächst es immer wieder nach.«
»Das ist ja eklig!«
Vanessa blickte zu ihm auf und sah ihn ernst an. Er zog eine angeekelte Grimasse, doch er hatte keine Ahnung! »Das ist es wirklich.«
Plötzlich wurde auch er wieder ernst und streichelte b esorgt über ihr Gesicht. Dabei folgten seine Finger den Spuren, die ihre Tränen auf ihrem Gesicht hinterlassen hatten. »Selbstmord ist aber keine Lösung …«
Vanessa fand Jonas Vermutung seltsam. Hatte sie etwa den Eindruck einer Suizidgefährdeten auf ihn gemacht? »Du glaubst, ich wollte mich umbringen? Das wollte ich nicht.«
»Okay«, sagte er langsam, nachdem er sie einige Augenblicke gemustert hatte. Glaubte er ihr wirklich, oder wollte er sie nur nicht weiter mit diesem Thema bedrängen?
Doch bevor Vanessa sich weitere Gedanken darüber m achen konnte, spürte sie seine Hand an ihrem Kinn. Sanft drückte er ihr Gesicht in seine Richtung, sodass sie ihn direkt ansehen musste. »Was hältst du davon, wenn du Maria kennenlernst?«
Vanessa setzte sich auf und sah ihn mit großen Augen an. »Meinst du wir klich?«
»Natürlich. Immerhin ist sie Familie, genau wie du. Zumi ndest für mich.«
Familie? Irgendwie ein tröstender Gedanke. »Okay. Aber bitte … bitte sag ihr nicht, dass ich sie für deine Geliebte g ehalten habe, ja?«
Jonas küsste ihre Stirn. »Versprochen.«
Vanessa konnte sich nicht erinnern, eingeschlafen zu sein, doch als sie in der Dunkelheit aufwachte, fand sie sich in i hrem Bett wieder. Schnell kehrte die Erinnerung an den Tag zurück, doch trotz der schlimmen Geschehnisse fühlte sie sich gut. Zufrieden. Als sie sich umdrehen wollte, spürte sie einen anderen Körper neben sich liegen.
Jonas.
Er war über Nacht geblieben, auch wenn zwischen ihnen nichts geschehen war. Aber seine Sehnsucht nach ihr war größer als seine Ablehnung gegen Intimität, und das bedeutete Vanessa sehr viel.
Plötzlich bewegte er sich im Schlaf und legte besitzergre ifend einen Arm um ihre Schulter. Langsam dämmerte auch Vanessa zurück in den Schlaf. So, dachte sie sich, kurz bevor sie wegnickte, könnte es für immer bleiben.
Freitag, 18. Juli
Vanessa fühlte sich unbehaglich, als sie nach der Arbeit mit Jonas seine Halbschwester Maria in einem Café traf. Maria Rubor war sehr schön, hatte große dun kle Augen und eine kupferfarbene Haut, die Vanessa im Vergleich dazu wie ranziger Käse aussehen ließ. Immer wieder musste sie sich klar machen, dass Maria keine Gefahr für sie darstellte – obwohl sie zweifellos von einer Schönheit war, der Vanessa nichts entgegenzustellen hatte. Aber sie war nur Jonas‘ Halbschwester und nicht ihre Konkurrentin. Trotzdem ließ Vanessa das Gefühl nicht los, diese Frau schon einmal gesehen zu haben.
Vanessa bestellte sich einen Milchkaffee, Jonas trank wie immer normalen Kaffee. Maria orderte einen doppelten E spresso, und selbst darin empfand Vanessa einen persönlichen Angriff, ganz so, als wolle Maria damit sagen, sie wäre viel stärker als Vanessa, ebenso wie ihr Kaffee. Natürlich war das Blödsinn, das wusste sie, dennoch konnte sie auch bei neutraler Betrachtung eine gewisse Überheblichkeit und Distanz bei Maria feststellen.
Jonas hatte nicht viele Worte gemacht, als er die Frauen e inander vorgestellte. »Vanessa, das ist meine Schwester Maria. Maria, das ist Vanessa. Ich hab dir von ihr erzählt.«
Das Treffen schien von Jonas sorgfältig geplant zu sein. V anessa wusste nicht, wie sie diese nahezu besorgte Kontrolle deuten sollte, und nahm es deshalb nur wohlwollend zur Kenntnis. Vermutlich wollte er ihre Zweifel endgültig und ein für allemal zerschlagen. Über ihren Wutausbruch hatte er seit Tagen kein Wort verloren,
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