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Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Titel: Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ruhkieck
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gerade so, als wäre er niemals geschehen. Aber Vanessa wusste, dass das nicht gut gehen konnte. Solche Dinge wurden nicht vergessen. Sie lauerten irgendwo im den dunklen Ecken des Unterbewusstseins, und dann, wenn diese erpresserische Information benötigt wurde, würde sie gegen sie verwendet werden …
    Ein unbequemes Schweigen breitete sich an dem kleinen Tisch in dem Café aus. Vanessa wusste nicht, worüber sie mit Maria reden sollte, und ihr schien es ähnlich zu gehen. Auch Jonas schwieg und machte einen nervösen Eindruck. Immer wieder strich er sich das Haar aus der Stirn und blic kte unruhig zwischen Vanessa und Maria hin und her.
    »Du bist also seine Halbschwester«, brach Vanessa schlie ßlich die Stille am Tisch.
    Maria nickte zaghaft, blickte dann zu Jonas, der sie aufmu nternd anlächelte. Als auch sie dann lächelte, bemerkte Vanessa zwei Grübchen in ihrer rechten Wange. Wie zwei winzige Einschusslöcher gruben sie sich in ihr sonst makelloses Gesicht. Vanessa wollte es nicht, aber sie konnte Maria schon jetzt nicht leiden.
    »Was sagt eigentlich deine Mutter dazu?«, fragte Vanessa dann an Jonas gerichtet. Dieser sah sie fast erschrocken an, als hätte er nicht erwartet, angesprochen zu werden. Nervös klopften seine Finger auf die Tischplatte.
    »Meine Mutter?«
    »Ja. Sie muss doch geschockt gewesen sein, dass ihr Mann sie betrogen und mit einer anderen Frau ein Kind hat. Also ich wäre sauer.«
    »Das glaube ich dir aufs Wort«, erwiderte Jonas nüchtern. Vanessa hielt die Luft an. Gleichzeitig wurde ihr klar, dass sie mit ihrem Wutanfall vor einigen Tagen sein Bild von ihr vollkommen zerstört haben musste. Mit welchen Augen er sie bis dahin auch gesehen hatte, das war nun vorbei.
    Jonas berührte beschwichtigend ihre Hand auf dem Caf étisch, im gleichen Moment wanderte sein Blick zu Maria.
    Sie ist nur seine Halbschwester, sagte sich Vanessa erneut. Wieso fiel es ihr nur so schwer, das zu glauben?
    »Meine Mutter war natürlich wütend. Sehr wütend. Oft hat sie es auch an mir ausgelassen. Aber irgendwann hat sie ihm verziehen. Sie hatte keine andere Wahl. Verlassen wollte sie ihn nicht, also musste sie die Tatsachen akzeptieren.«
    Vanessa nickte, auch weil sie nichts darauf zu sagen wus ste. Endlich wurden die Getränke serviert, und sie war erleichtert, nun einen Vorwand zum Schweigen zu haben. Langsam nahm sie einen Schluck von ihrem noch viel zu heißen Milchkaffee. Und während sie ihre verbrühte Oberlippe mit der Zungenspitze befeuchtete, um das Brennen zu lindern, entschloss sie sich, das Gespräch endlich in die Hand zu nehmen – da es ja sonst niemand tat.
    »Wie gefällt es dir in Hamburg?«, fragte sie Maria. Diese öffnete verschreckt den Mund, um etwas zu sagen.
    »Maria hat seit einigen Tagen eine Wohnung in St. Pauli. Du weißt schon, die neuen Gebäude direkt am Hafen«, antwortete Jonas für sie.
    Vanessa nickte, blickte Jonas dennoch fragend an und we ndete sich schließlich wieder Maria zu.
    »Wie kommt es eigentlich, dass du so gut deutsch sprichst? Wenn ich Jonas richtig verstanden habe, bist du in Spanien aufgewachsen?«
    »Sie wurde von ihrer Mutter bilingual erzogen. Immerhin ist ihr Vater Deutscher«, antwortete Jonas erneut für sie.
    Vanessa runzelte irritiert die Stirn. Wieso ließ Jonas seine Schwester nicht eine einzige Frage selber beantworten?
    Als würde sich Maria dasselbe fragen, fügte sie plötzlich hinzu: »Außerdem wollte sie mir die Chance ermöglichen, ohne Sprachbarrieren herzukommen. Ich habe ihr viel zu verdanken.« Tatsächlich sprach sie vollkommen akzentfrei. Vanessas innerer Widerstand gegen diese irgendwie sympathische Frau wuchs.
    »Das mit deiner Mutter tut mir übrigens sehr leid.«
    Maria sah sie plötzlich zögerlich an, und jeder Hauch von möglicher Arroganz war verschwunden. »Was ist mit meiner Mutter?«
    Vanessa spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. »En tschuldige, ich dachte …«, stammelte sie verlegen und blickte hilfesuchend zu Jonas. »Jonas sagte, deine Mutter sei erst vor kurzem gestorben …«
    Jonas wirkte plötzlich aufgebracht. »Ist sie auch, aber …« Vanessa fürchtete bereits, er wäre sauer auf sie, weil sie e twas Falsches gesagt hatte, doch dann war es Maria, die Jonas energisch unterbrach.
    »Lass mich das machen, Jonas.« Ihr Selbstbewusstsein wir kte auf Vanessa einschüchternd. »Hör zu, Vanessa, ich möchte nicht über meine Mutter sprechen, das verstehst du sicher. Es ist eine offene Wunde, die

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