Scherben
interessiert, zu faul, um seinen fetten Arsch zu bewegen und sich sein Essen selbst zu jagen, und auf der Mattscheibe fährt ein Wagen in einen Wüstensonnenuntergang, NISSAN, die Lettern metallisch glänzend, und dann wieder der junge weiße Mann, sein Babyface wutverzerrt, ein ganz Harter, die quengelige Stimme wird überpiept, und wieder und wieder, und er hält die künstlerische Freiheit hoch und spuckt auf die Zensur und machteinen Riesenreibach und sein Song dudelt im Hintergrund, und deine Hand gleitet auf den Boden und tastet umher und findet den Becher, Kai Elua Outrigger Canoe Club , halb leer oder halb voll mit Orangenlimo und Albertsons-Wodka aus einer Plastikflasche, die du mit deiner Discover-Karte gekauft hast, weil beim letzten Mal, als du nachgesehen hast, achtzehn Dollar und neunundsechzig Cent auf deinem Konto waren, das ist einige Monate her jetzt, und das Zeug geht gut runter und brennt und deine Augen werden ein bisschen feucht, dieses ganze Chaos um dich herum, und du drückst auf eine Taste, um das Einzige zu ändern, was du momentan ändern kannst, und der wütende junge Mann verschwindet, und ein weit entferntes Land tritt an seine Stelle, die Städte unaussprechlich, Namen mit Bindestrich, und im Süden die roten und schwarzen Pfeile, die nach Norden zeigen, und gezeichnete Panzer sind harmlos, gezeichnete Flugzeuge sind harmlos, alles wie im Trickfilm, und ein weißhaariger Weißer im Anzug, der mit anderthalb Füßen schon im Grab steht, hat einen Zeigestock in der faltigen Hand, und er zeigt und erklärt: was wir machen , die Stimme lieblos, die Formulierungen wie aus dem Sport, wir treffen ins Ziel und unser Team kann sich frei bewegen und wir haben das bessere Team , eine Märchenwelt aus Guten und Bösen und Opfern und Tätern und Richtig und Falsch, und irgendwo auf der anderen Seite des Erdballs werden Zivilisten befreit , von ihrem Leben und ihrem Hab und Gut und ihrer Kultur und ihrem Streben nach Glück, und wieder die Taste, und deine Augen werden noch feuchter und der Kater leckt sich das Arschloch und du trinkst noch mehr und ertastest einen Knubbel auf deinem Rücken, hoffentlich keine Zecke, nicht schon wieder, diese Lyme-Krankheit ist kein Spaß, und ein anderer weißhaariger Weißer im Anzug redet vor weißhaarigen Weißen im Anzug über sein neues Buch über multikulturelle Vielfalt, und du drehst dem Wichser den Ton ab und stellst dir vor, wie er insengender Hitze einen Marathon läuft und Gatorade trinkt und sein Schweiß sich grün färbt, und einen Moment lang ist alles still und dann – kreischt das Telefon, zu laut, und der Kater sprintet in den Flur und Flashback , eine Mörsergranate trifft die Turnhalle deiner Schule und die Explosion wirft dich drei Meter über den gekachelten Boden an eine Pinnwand und dein Kopf surrt wie eine hysterische Festplatte und du kannst kaum die Sirenen hören, weißt aber, dass sie schrill sind, und deine Gedanken sind benebelt, der Flashback, dann ist wohl doch nicht alles so rosig, nicht wahr, und dein Herz pumpt heftig, pumpt unregelmäßig, und Luft entweicht dir unkontrolliert, ein Vorbote, die Panikattacke, und du erstarrst, und das Telefon, geh ran, bevor es noch mal klingelt, noch mal kreischt, aber du kannst dich nicht bewegen und alles ist außer Kraft gesetzt, in der Schwebe, Standbild, jemand hat den Film angehalten, wer auch immer dich beobachtet, dich träumt, dich erfindet, er ist kurz pinkeln gegangen und drückt einen Pickel aus und bestaunt seine gemeißelten Gesichtszüge, und du verharrst, wartest auf den Zusammenbruch deines Systems, Angst wird dich zerstören, grundlose Angst, Paranoia, und dann doch nicht, sie kommt nicht, Fehlalarm, und du bist erleichtert und verschwitzt und wenn doch nur dein Herz wieder anfangen wollte zu schlagen, und dann tut es das und du rennst zum Telefon, das schon wieder kreischt, aber dieses Mal bist du vorbereitet und legst die Fernbedienung beiseite und stehst vom Sofa auf und steigst über einen Haufen Müll und greifst nach dem Telefon.
Es ist nicht Melissa.
Auszüge aus Ismet Prcićs Tagebuch
Mai 2004
Ich gebe auf, mati . Ich habe aufgegeben.
Dieses Buch über mein Leben kann nicht geschrieben werden. Jedenfalls nicht von mir. Ich schreibe immer noch, aber es ist kein Buch mehr. Ich schreibe jetzt alles.
Ich schreibe » mati « und habe keine Ahnung, wen ich damit meine. Es ist so lange her, seit ich dir die Wahrheit gesagt habe. Alles, was für dich bestimmt war, findet
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