Scherben
auf dem Parkplatz des Schuhmenschenhauses eingeschlagen, hatte einen VW Käfer hochgewirbelt und ihn verkehrt herum auf einen kleinen Citroen gesetzt. Als wir näher kamen, sahen wir, dass man die Farben nicht mehr erkennen konnte, da beide Autos verbrannt waren und immer noch loderten. Der Käfer sah ein bisschen aus wie eine Schildkröte, die jemand auf den Rücken gedreht hatte. Ein paar missgelaunte Ladenbesitzer fegten ihre zerbrochenen Scheiben vom Gehweg. Überall waren Einschlaglöcher. Wir hörten im Vorbeigehen, dass zwei Frauen umgekommen waren, gingen aber am Gefängnis entlang zum Banja Park.
So, wie wir auf unserer Lieblingsbank mit Blick auf die Stadt saßen, hätten wir für einen jener kitschigen Liebeskalender fotografiert werden können, die sich elfjährige Mädchen überall auf der Welt an die Wand hängen. Irgendwann rannte etwas durchs Gestrüpp hinter uns, und wir erschraken, aber es war nur ein alter Mann in einer zu kleinen Anzugjacke, ein Verrückter wahrscheinlich.
»Ich hab schon gedacht, es ist Archibald«, sagte sie, und ich konnte nicht mehr aufhören zu lachen. »Wie bist du bloß auf Archibald gekommen?«
Ich konnte nur auf meinen Kopf zeigen. Sie boxte mir auf den Arm und küsste mich.
»Du Nuss, verlass mich bloß nie.«
April
Asmir, Bokal und ich beschlossen, nach der Probe noch auszugehen. Die Galerija war ein Scheißhaus von einem Café, zwei Räume mit klobigen Korbstühlen, niedrige Decken und der Gestank von modrigem Rigips.
Der Mann hinter dem Tresen ignorierte uns. Bokal musste zu ihm gehen, um unsere verlängerten Kaffees zu bestellen.
»Ob sie den Kellnern hier extra beibringen, so lustlos zu gucken?«, fragte ich, als wir uns auf die klapprigen Stühle gesetzt hatten.
»Je weniger er uns behelligt, desto besser«, erwiderte Asmir.
Letzte Nacht hatte er vierzig Mark von einer Holländerin geschnorrt, mit der er vögelte, und ihr außerdem eine Flasche Johnnie Walker aus der Vorratskammer geklaut, als sie gerade im Badezimmer war. Sie arbeitete bei einer Hilfsorganisation, und er wollte die Geschichte mit ihr beenden, weil er sie langsam über hatte. Aber sie konnte gut blasen, behauptete er. Im Dunkeln. Das war sein Witz. Sie war fünfzehn Jahre älter als er oder noch mehr, und er meinte, er könne es ihr nur im Dunkeln besorgen. In Bezug auf Frauen war Asmir ein ziemliches Arschloch.
Bokal kam zurück, rauchte eine Zigarette, von der wir wussten, dass er sie beim Reinkommen noch nicht gehabt hatte.
»Woher hast du die denn?«, fragte Asmir.
»Überleg mal, wen du vor dir hast.«
Bokal bezeichnete sich selbst als König der Lügner, Schnorrer und Schmarotzer, und er war stolz darauf. Ich war Zeuge geworden, wie er von einem bettelnden Zigeunerjungen eine Mark geschnorrt hatte, so wahr mir Gott helfe. Wir saßen in irgendeinem Café, ein kleiner Junge bettelte uns an, und Bokal erzählte ihm, er sei in Schwierigkeiten, er habeeinen Kaffee bestellt, den er gar nicht bezahlen könne, und der Café-Besitzer würde ihm die Hölle heiß machen, wenn er es rausbekäme. Der Kleine hatte Mitleid und gab ihm eine Mark, damit er seinen Kaffee bezahlen konnte.
Der Kellner, durch dessen Zahnlücke man Kronkorken hätte schieben können, brachte drei verlängerte Kaffee und klemmte die Rechnung unter den Aschenbecher. Ich konnte den Geschmack von Kaffee nicht ausstehen und kippte mir drei Päckchen Zucker rein.
»Asmir, meinst du, Gott sieht nicht, dass du die ganzen Ausländerinnen vögelst?«, fragte Bokal aus heiterem Himmel. »Sie kommen von Gott weiß wo her, um den Bosniern zu helfen, und du behandelst sie wie Scheiße.«
»Hey, ich bin Bosnier. Und sie helfen mir. Zu kommen.«
Asmir lachte schnaubend über seinen eigenen Witz und wir auch. Er hatte etwas so entwaffnend Kindisches an sich, dass man ihn einfach mögen musste, egal was er sagte oder tat. Er hatte ein so außergewöhnliches Talent dafür, seine eigenen Fehler herunterzuspielen, eine besondere Art von Charisma, dass man ihm vermutlich auch einen Mord hätte durchgehen lassen.
»Gebt mir eure Tassen und tut so, als würdet ihr euch unterhalten«, sagte Asmir.
Bokal und ich führten zum Schein ein Gespräch, während Asmir im Schutz der Tischdecke Johnnie Walker aus seiner Schultertasche in unsere Kaffeetassen goss.
»Lasst uns darauf trinken, dass wir’s nach Edinburgh schaffen«, sagte Asmir, und ich sah, wie die gute Laune aus Bokal entwich. Sein Gesichtsausdruck wurde bitter. Wir stießen mit
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