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Scherben

Scherben

Titel: Scherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ismet Prcic
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die Scheiben.
    Als meine Tasche im Inneren des Busses verschwunden war, umarmten und küssten wir uns, meine Familie und ich, schnell und schweigend, dann stieg ich ein. Schnell und schweigend war die einzige Möglichkeit, sich zu verabschieden.
    Hinten im Bus war alles voll mit Schauspielern vom Nationaltheater; vorne saßen wir, Asmirs Truppe. Doch Asmir selbst fehlte. Und Bokal. Branka sagte, es sei ihr egal. Kurz vor Abfahrt tauchte Asmir auf und kam zu meinem Sitz. Er sagte, er würde bleiben und Bokal helfen, illegal rauszukommen, ein Freund lasse einen Freund nicht im Stich.
    Er nahm meine Hand, so wie meine Mutter es getan hatte, und sagte, falls er es aus irgendwelchen Gründen nicht nach Edinburgh schaffen sollte, vertraue er mir die Leitung der Truppe an seiner Stelle an. Er sagte, ich sei ein Künstler,so wie er. Dann wandte er sich an alle, er stand vorne im Bus und sagte: Wir sehen uns in Edinburgh , und sprang hinaus auf die Straße. Hinter ihm schlossen sich zischend die Türen. Der Bus kroch los und durch die Gruppe der Eltern ging ein Ruck, ihre Hände schossen zum Winken in die Höhe und ihre Augenbrauen hoben sich ebenso wie ihre Lippen, um mit einem Lächeln zu verschleiern, dass ihnen die Herzen in die Magengruben sanken.
    Schon bald war da nur noch das Brummen des Motors und die Dunkelheit des Krieges draußen vor den Fenstern und das schleichende Gefühl, etwas Wichtiges zurückgelassen zu haben.

Auszüge aus Ismet Prcićs Tagebuch
Februar 2000
    Ich bin eine Eidechse, mati. Eric hat im Januar geheiratet, und ich musste aus unserer Wohnung ausziehen. Ich zahle jetzt hundert Dollar für ein Zimmer auf dem Dachboden meines Theaterlehrers. Ich kann dort nirgendwo aufrecht stehen. Ich krieche herum wie eine scheiß Eidechse. Ich bin eine Eidechse.
    Ich hasse es, nach unten zu gehen. Die Kinder meines Lehrers hassen mich. Ich lebe von dem Brot und der Erdnussbutter, die ich in meinem Zimmer aufbewahre. Ich pisse in eine Zweiliterflasche Mountain Dew und kippe sie aus dem Fenster, wenn alle schlafen. Ich gehe nur zu Seminaren raus oder um Alkohol zu kaufen. Ich scheiße und dusche an der Uni.
    An den Wochenenden fahre ich mit dem Zug nach San Diego. Zu Melissa. Ihre Mitbewohnerinnen können mich immer noch nicht ausstehen. Ich habe die Mutter von einer kennengelernt. Als ich ihr erzählte, wo ich herkomme, sagte sie: Ach, ich wusste gar nicht, dass es in Bosnien Weiße gibt. Ich wollte meine Pistole nehmen und ihr die Fresse zerschießen.
    Mustafa ist wieder da, mati. Er geht mir nicht aus dem Kopf. Stundenlang träume ich im Wachzustand sein Leben, während ich darauf warte, dass meines einen Sinn ergibt.

    Ich warte auf eine Nachricht von der Universität in San Diego, ob ich dort angenommen werde. Alles hängt davon ab. Wenn ich wechseln darf, werde ich bei Melissa sein.
    Meine Pistole schmeckt nach altem Silberbesteck, mati , aber ihre Mündung riecht nach Bosnien.

(… der mann, den sie fleisch nannten …)

In Zeiten des Krieges, als sein Land ihn am dringendsten brauchte – seinen Finger am Abzug zur Verteidigung, seinen Körper als Schild, seinen Verstand und seine Menschlichkeit als Opfer für künftige Generationen, sein Blut als Dünger der Erde –, in diesen höchst drängenden Zeiten dauerte Mustafas Gefechtsausbildung zwölf Tage. Genau vierundzwanzig Mal lief er über den Hindernisparcours, er warf sechs Handgranatenattrappen aus verschiedenen Entfernungen durch einen LKW-Reifen, übte mit einem Luftgewehr seine Treffsicherheit, um keine Kugeln zu verschwenden, ließ sich in Decken wickeln und von seinen Kameraden verprügeln, weil er mindestens einmal im Schlaf gesprochen hatte. Er machte unzählige Liegestütze und Sit-ups, Klimmzüge und Kniebeugen, Ausfallschritte und Armbeugen, stumpfsinnige Wiederholungen, die nicht seiner Fitness dienten, sondern das Ziel hatten, ihn zu brechen, damit ihm der Ausbilder der Sonderkommando-Aspiranten anschließend die Hierarchien eintrichtern und einen effizienten Kämpfer aus ihm machen konnte – einen, der zu viel Angst hat, um sich Befehlen zu widersetzen, und der verdammt noch mal stirbt, wenn man ihm sagt, dass er verdammt noch mal zu sterben hat.
    Irgendwann gab man ihm echte Waffen in die Hand. Das ist eine Uzi, so funktioniert die, wir haben aber kei ne Uzis, also vergiss, was du gerade gelernt hast. Das ist eine LAW, so funktioniert die, wir haben aber nur eine begrenzte Anzahl davon und die kriegen die Leute, die schon wissen, wie

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