Scherben
Babypopo, ganz Profi. Der Regisseur sah ihn nur einmal an und sagte, er sehe entsetzlich aus. Anschließend musste er während der gesamten Proben einen falschen Schnurrbart tragen, genau so einen wie den, den er abrasiert hatte.
Fresh on the Boat
Die Nacht, in der wir den Kanal auf einer Fähre überquerten, war eiskalt. Die meisten Passagiere dösten oder versammelten sich vor dem Imbiss, gingen auf und ab, um sich warm zu halten, tranken aus dampfenden Styroporbechern. Sie wirkten verkniffen und trübselig, hasserfüllt beäugten sie uns, weil wir die Treppen mit federnden Schritten rauf und runter rannten, uns gegenseitig anschrien und aus ganzemHerzen lachten. Sie beneideten uns um unseren Tatendrang und unsere Freude über die Freiheit, die uns abermals erfüllte, je näher wir Schottland kamen. Die Tatsache, dass wir nicht mehr sitzen mussten, verhinderte, dass uns die Freiheit wieder langweilig wurde. Dazu kam die neue Erfahrung einer Schiffsreise; wir ließen uns von der Seeluft durchwehen, sie kitzelte uns in den Nasen und brannte kalt in unseren Lungen.
Draußen auf dem oberen Deck fegte der Wind über uns hinweg, zerrte an unseren Zigaretten, rauchte sie für uns. Er hob uns von den Füßen, ließ uns die Reling fest umklammern, die tränenden Augen zusammenkneifen, und die Welt auf eine neue Weise spüren, irgendwie körperlicher. Ich ging mit Ramona nach hinten, und wir starrten ins aufgewühlte Wasser unter uns und auf die Lichter Frankreichs, die in der Ferne kleiner wurden. Ich dachte daran, wie ich auf der Brücke an meiner Schule gestanden und auf den angeschwollenen Fluss geblickt hatte. Ich erinnerte mich, wie ich Asja geküsst hatte, und wieder überkam mich das Gefühl, ich hätte ein Loch in meiner Brust, durch das mein Wesen zischend entwich. Instinktiv fuhr meine Hand hoch, um es zu verschließen.
»Vermisst du sie?«, fragte Ramona in die salzige Dunkelheit.
Der Wind brüllte mir ins Ohr, brachte meine Kleidung durcheinander, schubste mich umher.
»Ja«, sagte ich.
Sie schubste mich, dann umarmte sie mich, mit einem Arm. Sie reichte mir ein Glas, und wir tranken. Auf Höhe des Meeresspiegels schmeckte der Sliwowitz seltsam; Pflaumen werden in den Bergen angebaut.
»Wie viel Schnaps hast du dabei?«, fragte sie.
»Sagen wir mal, wir haben auf fremde Vorräte zurückgegriffen.«
Omar fand uns, und wir rannten auf der Fähre herum und warfen den Leuten Schimpfwörter an den Kopf, lachten ihnen in die Gesichter und fanden Sachen zum Überbordwerfen, Abfälle und Tauenden und abgeblätterte Farbe. Die Lichter von Dover wurden schon größer, als Ramona zum Bus ging, um eine Jacke zu holen. Sie kam lachend zurück, sagte, wir sollten ganz still sein, und führte uns dorthin, wo der Busfahrer auf der Haube eines Peugeot stand und in seinen eigenen Bus spähte. Als er uns sah, winkte er uns heran und zeigte uns, was er entdeckt hatte. Als ich an der Reihe war, sah ich den Präsidenten auf der Sekretärin, sein nackter Schwabbelbauch leuchtete fahl im trüben Licht.
Schottland
Die letzte Etappe, durch England hoch in den Norden, war die schlimmste. Ich war erschöpft, konnte aber nicht schlafen; ich war aufgedreht und konnte trotzdem keinen klaren Gedanken fassen.
Wir verfuhren uns im Gewirr der Londoner Schnellstraßen, fuhren dreimal an derselben mit Graffiti bedeckten Mauer vorbei, bis jemand den Fahrer darauf aufmerksam machte. Daraufhin hielt er hinter einem Pannenhilfsfahrzeug, das in einem Halbkreis aus orangefarbenen Leitkegeln stand, und der nette Mann im Overall erklärte Ramona, wo wir abbiegen mussten. Nach einer Weile gewöhnte sich der Fahrer daran, auf der anderen Straßenseite zu fahren.
Der Himmel war bewölkt, die Hügel waren grün, die Heuhaufen anders als in Bosnien nicht um einen Pfahl herum aufgeworfen, sondern in einheitliche gelbe Zylinder oder Würfel gepresst, die wie riesige, verstreute Bauklötze seitlich der Autobahnen herumlagen.
Schottland war noch wolkiger und noch grüner, und trotzder Erschöpfung und des Katers öffneten sich unsere Herzen. Wir hatten es geschafft.
Am Stadtrand von Edinburgh sah ich eine dicke Möwe auf dem Schornstein eines Steinhauses sitzen und dachte an Asmir und Bokal.
In dem Moment beschloss Super Mario, zur Feier unserer Ankunft eine weitere Flasche Sliwowitz aufzumachen. Er nahm einen Schluck, und als er merkte, dass er Wasser im Mund hatte, schrie er Zeter und Mordio, beschuldigte erst seinen Sitznachbarn, ihm den Schnaps
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