Scherben
umarmen. Dazu der Kuss auf die Wange, den ich nicht erwidert hatte. Sogar Ramona undAsmir redeten plötzlich von Asja und machten mir ein schlechtes Gewissen.
Ich zwang mich, das Richtige zu tun und an Asja zu denken. Es gelang mir ganz gut, an sie zu denken, sie in Gedanken zu lieben, ich kam mir rechtschaffen vor, aber mitten in meinem Tagtraum drang Allisons Gesicht in meine Erinnerungen an Asja. Allison hielt meine Hand im Banja Park, Allison küsste mich auf »unserer« Bank. Ich war verwirrt, meine Gedanken gehorchten mir nicht. Anstatt also wie alle anderen zu Allisons Party zu gehen, verbrachte ich den Abend damit, Asja einen Liebesbrief zu schreiben, mich in Selbstmitleid zu suhlen und mir hübsche Worte dafür einfallen zu lassen, wie scheiße ich mich fühlte.
Am nächsten Tag wachte ich mit hämmernden Kopfschmerzen auf. Ich hatte eine Beule, die ich mir nicht erklären konnte, alles tat weh. Alle sahen mich vorwurfsvoll an. Allison ging mir aus dem Weg, und ich litt während der gesamten Probe. Hinterher verschwand sie, ohne sich zu verabschieden. Ich war sauer und voller Sehnsucht. Bei der Matineevorstellung gab ich aus Trotz alles, riss die Aufführung an mich, spielte alle an die Wand, reagierte meinen Frust ab. Die Aufführung war gut. Meine Füße schmerzten vom Herumstampfen.
Die Truppe zerstreute sich, ich blieb allein in der Cafeteria und war froh darüber. Ich stand in der Schlange und holte mir ein belegtes Croissant und eine Pappschale voll Obst, setzte mich, klappte das Sandwich auf, klaubte das Schweinefleisch heraus, drückte die Hälften wieder zusammen und biss hinein. Es schmeckte, als hätten es Roboter zubereitet, doch ich aß es, mechanisch kauend wie einer, der weiß, was es heißt, hungrig zu sein. Die Trauben schmeckten nach Trauben. Die Melone nach Melone.
Dann tauchte Allison auf und setzte sich zu mir an denTisch. Sie saß da und sah mich eine Weile lang einfach nur an, und ich verliebte mich, einfach so. Oder merkte, dass ich mich bereits verliebt hatte. Sie war nass vom Regen, und in ihrem Haar waren ein paar Stellen mit feinem weißem Schaum, was auch immer sie benutzte, war in Kontakt mit dem Wasser gekommen. Regen lief ihr über die Wangen. Sie wischte ihn langsam weg, wie ein Filmstar. Sie war wunderschön.
Ich weinte ein wenig, und sie nahm meine Hand. Sie sagte, sie habe die Aufführung gesehen, und ich sei toll gewesen, und sie würde morgen ihre Mutter mitnehmen, und sie wolle mich ihr vorstellen, hinterher. Sie sagte, ich sei ihr Freund, und die Party würde wiederholt werden und sie hoffe, es würde keine weiteren Zwischenfälle geben. Was für Zwischenfälle , dachte ich, sagte aber nichts. Ich wollte nur, dass sie meine Hand berührte, mit mir sprach. Sie fragte mich, ob ich mit ihr in ein Museum gehen wolle. Ich hasse Museen, aber ich sagte ja. Als wir dort waren, schlug sie Räder, wenn die Aufpasser gerade nicht hinsahen, wir kicherten, aber die ernsten Menschen auf den Gemälden rührten sich nicht.
Eine Woche später, wenige Stunden vor Allisons zweiter Party, kam ich ins Haus und fand Ramona, Asmir, Bokal und die Musiker vor dem Kamin versammelt. Eine grüne Flasche wanderte von Hand zu Hand.
»Da ist er ja«, sagte Asmir, als ich mir die Schuhe auszog, »unser Casanova.«
Bokal kam mit einem Grinsen zu mir, nahm meine Hand und beschnüffelte meine Finger.
»Und immer noch ein reines Gewissen. Was für ein Bosnier bist du eigentlich? Du ruinierst noch unser aller Ruf.«
Die Musiker lachten. Ich sah Ramonas Augenbrauen in die Höhe schnellen und zog meine Hand weg.
Bokal sagte: »Du hast noch zwei Tage. Das ist wie bei denOlympischen Spielen. Du trittst nicht nur für dich an, sondern auch für dein Land.«
Wieder Gelächter.
»Ja ja, wahnsinnig witzig«, sagte Ramona und zog mich in eine Ecke, weg von den anderen. Sie flüsterte mir etwas zu und ich musste mich runterbeugen, um sie zu verstehen. Ihr Atem roch nach Alkohol. »Sag, dass du nichts gemacht hast.«
»Ich hab nichts gemacht.« Das war die Wahrheit.
»Kann die Seifenoper noch ein bisschen warten?«, fragte Asmir verächtlich. »Ich habe Brankas Jungs nicht nur zum Spaß losgeschickt. Wir müssen das gut planen, und wahrscheinlich sind sie gleich wieder da. Also, so sieht’s aus: Wir haben noch zwei Tage bis zur offiziellen Rückreise, und an beiden Tagen sind mittags Vorstellungen.«
»Und das Stück mit den Schotten um fünf, Asmir«, fügte Ramona hinzu.
»Die Schotten sollen
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