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Scherbengericht: Roman (German Edition)

Scherbengericht: Roman (German Edition)

Titel: Scherbengericht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germán Kratochwil
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Wiederholung setzte sie noch hinzu: »Und die Zigeuner – Arier sogar, ursprünglich aus Nordindien! – lieben Sie die, Herr Roth?«
    Die Mapuche seien hier »Hiesige«, warum sollte er die besonders lieben? Und was die Zigeuner betreffe, fügte er hinzu, so habe er mit denen nichts zu tun. Außerdem gebe es in Quemquemtréu ja überhaupt keine Zigeuner, habe es keine gegeben, solange er hier schon gelebt habe. Die würde man hier erst gar nicht hereinlassen. »Ich komme mit Lumpi gut aus, meinen Schäferhund aber, den … den … habe ich wirklich geliebt. Ich liebe auch seinen Sohn Wotan. Aber den Namen meines verstorbenen Schäferhunds habe ich leider vergessen …«
    Martin klopfte Katha auf die straffen Jeans über ihren Waden: »Lass ihn, er ist schon so alt und nicht mehr ganz …« Siegmund aber hatte es mitbekommen und empfand es als eine unnötige Beleidigung.
    In diesem Moment der Ablenkung jedoch musste der Fahrer so heftig bremsen, dass es Siegmund nach vorn schleuderte und der Hund zu Boden stürzte. Gekläff und Gewinsel setzten ein. Aus dem seitlichen Gebüsch war unversehens Nicko hervorgebrochen. Ohne an ein Auto auch nur zu denken, hatte er blindlings und sich heftig vornüberbeugend die Straße überquert.
    »Was ist denn das, ein Waldgeist?«, rief die schöne Holberg-Tochter. Sie riss die Tür auf. »Halt Pa, halt, bitte – dort läuft Rumpelstilzchen!«
    Siegmund richtete sich wieder auf. Zu seiner Verwunderung blieb Nicko stehen. Zum ersten Mal konnte er diesen Untermenschen ganz aus der Nähe und ohne sein Körpernicken betrachten: Es war, als erblickte er einen anderen Nicko, aber natürlich mit denselben heimtückischen Gesichtszügen eines Slawen. Der Dackel sprang auf den Sitz zurück und hielt still. Beide schauten sie wie gebannt zu Nicko hinaus. Wie er so zitternd dastand, in seiner elenden Aufmachung, konnte er Mitleid erregen – Siegmund, lass dich durch diesen Eindruck nicht täuschen, das ist das Verführungsspiel dieses kranken Elements, sein Blendwerk, sein Bestreben, im starken und mutigen Mann eine Schwachstelle zu treffen, sein Mitgefühl zu erwecken. Zeig Kraft, ja Härte, Siegmund! Er ballte die Fäuste und seine hagere Gestalt versteifte sich auf dem hellen Leder des Rücksitzes.
    Clementines Prinzessin-Enkelin aber war ausgestiegen und ein paar Schritte auf Nicko zugegangen. Der Vater beugte sich aus dem Fenster und rief ihr zu: »Komm, Katha, ich kenne den armen Kerl doch, das ist Nicko. Lass ihn, dir wär’s ja auch nicht recht, wenn man dich beim Joggen anhielte.«
    »Rumpelstilzchen, Rumpelstilzchen, hier kommt die Prinzessin. Wir kennen uns doch!« Befremdet vernahm Siegmund, wie die Enkelin diesen Fratz in singendem, beschwörendem Märchenton zu becircen versuchte. Er beobachtete, wie sie sich dem Subjekt dabei vorsichtig näherte, als handelte es sich um ein verwundetes, in die Falle geratenes Wild – noch ungewiss, ob dieses sich nicht gleich in jäh ausbrechender Panik mit ungeheurer letzter Kraft losreißen und davonspringen würde. Die junge Frau streckte langsam die Hand aus, und tatsächlich, sie konnte den Bürstenschädel des Kretins berühren. Der hielt stand, schielte sie mit halb abgewandtem Gesicht aus den Augenwinkeln an, die ihr zugewandte Schulter hochgezogen und am ganzen Leibe bebend, als befürchtete er jeden Augenblick einen Schlag; er atmete sichtbar heftig unter dem zerrissenen Hemd. Das währte ein paar Sekunden, denn plötzlich bellte der Dackel los und Nicko wich zurück. Er zückte das Stöckchen, das er unter dem Arm versteckt gehalten hatte: Der Schwamm in dem gegabelten Stab sah wie ein Stein aus. »Vorsicht, Katha!«, rief der Vater, aber Katha rührte sich nicht und Dr. Holberg wollte schon aus dem Wagen springen. Da hatte sich Nicko mit ein paar Sätzen und heftigen Verbeugungen bereits in eine Schneise zwischen den Heckenrosen auf der anderen Straßenseite geflüchtet. Zuletzt fuchtelte er noch, ohne sich umzuwenden, wie wild mit seinem Stecken.
    Als die Tochter wieder im Auto saß und der Vater anfuhr, drehte sie sich ihm zu. »Roth, Sie leben hier, wissen Sie, warum dieser erbarmungswürdige Höhlenmensch mit einer Steinaxt herumläuft? Gestern Abend waren wir bei den Mapuches. Da habe ich zum ersten Mal von der Ausrottung der Neandertaler erfahren. Haben Sie davon gewusst? Wer bedroht das Rumpelstilzchen? Was sucht dieser letzte Neandertaler hier oben? Mit seinem steinzeitlichen Werkzeug?«
    Siegmund erklärte ihr, das sei

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