Scherbenherz - Roman
denn getrauert hatte sie bereits ausgiebig in den Wochen vor seinem Tod. Sie hatte lediglich nicht gewusst, was sie mit dem entstandenen Vakuum anstellen sollte. Sie hätte erleichtert sein, ihre neue Freiheit genießen müssen, ein neues Leben beginnen, ganz von vorn anfangen sollen, stellte jedoch fest, dass ihr ohne Charles der Antrieb fehlte. Sie konnte sich nicht länger in Opposition zu einer anderen Person definieren. Einfach gesagt waren ihr die Ausreden, die Sündenböcke ausgegangen.
Ein Teil von ihr, der verborgene Teil, vermisste ihn noch immer. Sie verachtete sich für diese Schwäche, für die ewige Kraft ihrer Liebe, die trotz aller Schläge nicht nachlassen wollte. Lange versuchte sie, diesen Teil einfach zu ignorieren. Sie ertappte sich dabei, wie sie im Supermarkt blicklos ins Leere starrte, verwirrt angesichts des üppigen Angebots in den Regalen und unfähig, die einfachste Entscheidung darüber zu treffen, was sie am Abend essen wollte.
Dann hatte Janet eine Urlaubsreise vorgeschlagen, und Anne hatte zu ihrer eigenen Überraschung zugestimmt. Drei Wochen lang fuhren sie in einem Mietwagen durch Italien, erkundeten auf kurvenreichen, von Olivenhainen gesäumten Straßen die Toskana, schlenderten durch hoch auf Hügeln gelegene Städte mit Marktplätzen und Glockentürmen, die aussahen, als würden sie bei der kleinsten Berührung einstürzen. Sie aßen frische Pasta und tranken Chianti. Und Janet hatte alles organisiert, so dass Anne an nichts zu denken brauchte. Am Schluss der Reise war Anne ein neuer Mensch. Nichts war gesagt worden, aber sie hatte das Gefühl, dass sich Charles’ Schatten endgültig in Luft aufgelöst hatte. Dafür war sie Janet dankbar. Dankbarer, als sie es je würde ausdrücken können.
»Ein Königreich für deine Gedanken«, sagte Jane, und Anne sah ihre Freundin über den Tisch hinweg an. Janets Nase war von der Sonne rosarot verbrannt, und ihre Gleitsichtbrille schmutzverschmiert. Ihr Lippenstift war verblasst und in die feinen Fältchen um ihren Mund ausgeflossen.
»Weißt du, ich habe gerade an unser italienisches Abenteuer gedacht.«
Janets Miene hellte sich vor Freude auf. »Es war wunderbar, nicht wahr?« Anne nickte vorsichtig, um Gracie nicht aufzuwecken. »Vielleicht«, fuhr Janet zögernd fort, »sollten wir es dieses Jahr wiederholen, was?«
»Ja, Janet.« Anne lächelte. »Ja das sollten wir absolut.« Sie hörte Charlotte und Gabriel im Haus, ihre leise Unterhaltung und das Klappern von Geschirr, das abgewaschen und aufgeräumt wurde. Sie fühlte das Gesicht ihrer Enkelin auf ihrer Brust und die alles durchdringende Wärme eines sonnigen Tages auf ihrer Haut. Zufriedenheit erfüllte sie, hier an diesem Ort, in diesem Garten, in diesem Augenblick. Sie spürte sie, atmete sie ein und fühlte sie durch ihre Kehle rinnen, atmete sie aus, sah sie in der Luft in Stücke zerbrechen und auf sie herabregnen wie die vom Wind verwehten Grashalme.
»Schlafenszeit«, sagte sie, und Gracie bewegte sich nur kurz beim Klang ihrer Stimme. Sie hielt ihre Enkeltochter fest in den Armen und ging ins Haus zurück.
Danksagung
M ein besonderer Dank gilt:
Jessica Woollard von der Agentur Marsh für ihre wunderbare Hilfe und die Tatsache, dass sie das Kunststück fertigbrachte, die Geburt ihres Babys so lange hinauszuschieben, bis der Vertrag unterschrieben war.
Ebenso Helen Garnons-Williams von Bloomsbury für ihre einfühlsamen Hinweise und klugen Ratschläge, die ich gern als die meinen ausgegeben hätte.
Sowie Simon Oldfield für seine Unterstützung von Anfang an.
Edie Reilly und Olivia Laing für das Lektorat des Manuskripts und dass sie mich nicht ausgelacht haben.
Meinen Eltern, Christine und Tom, und meiner Schwester, Catherine, weil sie einfach nur für mich da waren.
Und schließlich Kamal Ahmed, einfach für alles.
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