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Scherbenherz - Roman

Scherbenherz - Roman

Titel: Scherbenherz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Heilsarmee kennengelernt. Er war fröhlich und rotbackig von der Anstrengung gewesen, nachdem er mehrere Kisten ausgepackt und den Inhalt linkisch auf einem Campingtisch arrangiert hatte. Giles war Janet sofort sympathisch. Er kam ihr wie ein kleiner, etwas hilfloser Junge vor, um den man sich kümmern musste. Erst viel später stellte sie fest, dass er seit dreißig Jahren Annes Nachbar war. Er begann Janet zu kleinen Gesellschaften einzuladen, die seine mollige freundliche zweite Frau Peggy zu geben pflegte.
    »Seine erste Frau ist gestorben«, klärte Anne Janet auf. »Krebs.«
    »Oh«, entfuhr es Janet, die über den schroffen, sachlichen Ton dieser Information einigermaßen verblüfft war. »Was für eine Frau ist sie gewesen?«
    Anne sah sie fest an. »Ich habe sie eigentlich nie gemocht«, antwortete sie ungerührt. »Peggy ist viel netter.«
    Die Unterhaltung hatte bei einem sommerlichen Mittagessen stattgefunden, als alle beschwipst und schläfrig vom üppigen Essen waren. Janet war nach dem Essen in das Wohnzimmer der Gastgeber gegangen, um zwei Landschaftsaquarelle eines Malers zu betrachten, den sie zu kennen glaubte. Während sie die Maltechnik begutachtete und versuchte, die Signatur zu entziffern, merkte sie plötzlich, dass Charles hinter ihr stand. Seine übermächtige Erscheinung raubte ihr den Atem, und die Raumtemperatur sank beträchtlich.
    »Ich wollte mir die Bilder mal genauer betrachten«, erklärte sie, ohne seinem Blick auszuweichen. Charles hatte es bisher nie geschafft, sie zu verunsichern. Sie vermutete, dass das daran lag, dass sie seine Aufmerksamkeit nie suchte, er daher auch keine Macht über sie hatte.
    Er lächelte schief, verzog kaum eine Miene. Er stand so nahe bei ihr, dass sie seinen Atem an ihrer Wange fühlte. Er roch leicht säuerlich nach Kohlensäure und Champagner.
    »Ich weiß, dass du mich nicht magst«, erklärte er wie beiläufig aus heiterem Himmel.
    Janet war so perplex, dass sie im ersten Augenblick nicht wusste, wie sie reagieren sollte. »Natürlich mag ich dich, Charles«, sagte sie schließlich und fühlte, wie sie rot wurde.
    »Ich weiß genau, dass das nicht der Fall ist«, widersprach er. »Aber das ist in Ordnung, Janet. Weil … Weißt du, warum?«
    Sie schüttelte den Kopf. Charles grinste, trank einen Schluck aus seinem Glas und schnaubte laut und lachend durch die Nase. Die Stimmung änderte sich schlagartig. Seine Bewegungen waren fahrig, der Blick aus seinen blassblauen Augen war unstet, der Ausdruck verschwommen. Janet bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, mahnte sich jedoch zur Ruhe. Schließlich waren die anderen Gäste im Nebenraum. »Weil, Janet …« Er artikulierte ihren Namen schneidend und übertrieben deutlich. »… weil ich nicht sicher bin, dass ich mich selbst leiden kann.«
    In diesem Moment wollte sie schon an ihm vorbeischlüpfen, ihm aus dem Weg zu gehen, doch er hatte sie blitzschnell so weit in die Ecke gedrängt, dass sie den Rahmen eines Gemäldes in ihrem Rücken spürte. Charles, der wesentlich größer war als Janet, beugte sich zu ihr herab, bis sein Gesicht dicht über ihr war. Sie starrte auf seine glatte farblose Haut und die tiefen Falten über der Nasenwurzel.
    »Aber der Knackpunkt ist, dass du nicht zählst, Janet«, fuhr er fort. Die betonte und arrogante Sorgfalt seiner Sprache verstärkten Janets Eindruck, dass er betrunken war. Sie hatte ihn, trotz seines reichlichen Alkoholkonsums, nie zuvor betrunken erlebt. Er war jemand, der eigentlich nie die Kontrolle verlor. Was auch geschah, er behielt immer die Zügel in der Hand, tat nie etwas ohne Absicht, wählte seine Ziele mit Sorgfalt. Und er traf immer ins Schwarze.
    »Als Person, meine ich«, führte er aus. »Du gehörst eben zu den Menschen, die keine Rolle spielen.« Er fuhr mit der Hand durch die Luft, als verscheuche er eine unsichtbare Fliege. »Auf diesem Planeten hinterlässt du keine Spuren.«
    Es war das einzige Mal, dass Charles Janet aus der Fassung brachte. Er erkannte es sofort, er hatte ihre Schwachstelle getroffen.
    »Du glaubst, Nettsein sei alles, was auf dieser Welt zählt.« Er senkte die Stimme, bis sie nur noch ein undeutliches Flüstern war. »Du irrst, Janet. Du irrst gewaltig. Nettigkeit wird bestraft. Reine Herzen sind dazu da, gebrochen zu werden. Es ist besser, auf der anderen Seite zu stehen.«
    Sie räusperte sich, bevor sie etwas sagte, entschlossen, ihre Fassung wiederzugewinnen. »Auf der anderen Seite?«, fragte sie, ohne ihn

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