Scherbenherz - Roman
ungleichen Triptychon gleich unter das Vordach. Sie standen in einer Reihe nebeneinander und hielten doch einen kleinen Abstand zueinander. Janet fiel auf, dass Gabriel den Arm beschützend um Charlottes Schultern ausgestreckt hatte, ohne sie zu berühren.
Janet strahlte. »Hallo! Hallo, kommt doch rein.« Sie flatterte nervös umher, den Blick auf Füße und Knie der Gäste geheftet, um keinen Augenkontakt herstellen zu müssen. »Hier durch. Das Essen dürfte gleich fertig sein.«
»Es riecht einfach köstlich, Janet«, sagte Charlotte, als sie ihren Mantel auszog und über das Treppengeländer legte. Sie trug ein blaues Wickelkleid aus Jersey und Schuhe mit hohen Absätzen. Janet hatte sie nie so elegant gesehen. Sie nahm an, dass Charlotte direkt aus dem Büro kam. »Kann ich was helfen?«
»Ganz und gar nicht. Alles unter Kontrolle. Sie müssen Gabriel sein.« Janet streckte die Hand aus, um ihn zu begrüßen, und registrierte, dass er die schmalen Hände und langen Finger eines Pianisten hatte.
»Ja, der bin ich. Vielen Dank für die Einladung«, sagte er lächelnd. »Freut mich wirklich.«
»Ach, Unsinn!«, wehrte sie ab, machte eine wegwerfende Geste und wurde rot. Janet warf ihm einen hastigen Seitenblick zu, während er ins Wohnzimmer ging. Er gefiel ihr. Seine Züge waren markant, der Blick aufrichtig und seine Augen anhaltend auf Charlotte gerichtet, sie folgten ihr überall hin und kontrollierten, ob sie etwas brauchte. Anne hielt er höflich die Tür auf, wie Janet sofort bemerkte. Er machte einen sehr sympathischen Eindruck, war offenbar ein Mann, der Aufmerksamkeit erregte, ohne sie zu fordern. Ein angenehmer Zeitgenosse.
Janet ging in die Küche, um die Drinks zu mixen. Nach einigen Minuten hörte sie Annes Schritte hinter sich.
»Gib mir was zu tun, Janet.« Annes Aufforderung klang kaum wie eine Bitte, eher wie ein Befehl, und Janet überlegte sofort fieberhaft, womit sie Anne beschäftigen konnte. Anne hatte immer diese Wirkung auf sie. Sie wurde in ihrer Gegenwart nervös und unselbstständig. Dabei konnte sie Anne in ihrer Küche nicht brauchen. Es brachte sie aus dem Konzept, sie wurde fahrig und tat etwas Unüberlegtes, verpatzte zum Beispiel die Soße. Allerdings wagte sie es nicht, Anne das offen zu sagen.
»Also, warte mal. Ja, natürlich. Könntest du die Eiswürfel aus dem Gefrierfach holen? Danke, Anne.«
Janet beobachtete, wie ihre Freundin den Kühlschrank öffnete. Anne hatte in den vergangenen Wochen Gewicht verloren. Sie, die von Natur aus schlank war, wirkte beinahe hager, ihre Schultern unter der silbergrauen Bluse knochig. Janet hatte Anne stets um ihre Figur, ihre festen Muskeln, die glatte Haut und ihre eleganten Bewegungen beneidet. Anne gehörte zu den Frauen, die Falten nur noch schöner machten, so als ob die kleinen Unzulänglichkeiten die Makellosigkeit des Gesamtbildes noch verstärkten. Janet fühlte sich im Vergleich dazu wie ein rotbackiger Fettfleck in der Landschaft.
Ein Seufzer entfuhr ihr, bevor sie es verhindern konnte. Sie war verärgert. Sie hantierte nervös herum, suchte verzweifelt nach einem Gesprächsthema, um ihre Gereiztheit zu verbergen. Sie rang die Hände, beruhigte sich etwas.
»Wie geht es so, Anne?«
Das war die Art bedeutungsloser, trivialer Fragen, die Anne normalerweise hasste, doch an diesem Abend schien sie in nachsichtigerer Stimmung zu sein als sonst.
»Es geht so …« Die Eiswürfelform in der Hand hielt Anne mitten in der Bewegung inne. »Eigentlich sogar ganz gut.« Anne schien über ihr Eingeständnis selbst erstaunt. Sie beließ es dabei, führte die Antwort nicht weiter aus und begann die Eiswürfel aus der Form zu drücken, indem sie die Ränder des Tupperware-Behälters auf den Kopf stellte.
»Oh«, entfuhr es Janet verblüfft. Annes untypisch positive Stimmung kam auch für sie überraschend. »Gut zu hören.« Dann stellte sie die unsinnige Konversation ein. Sollte Anne sich doch was einfallen lassen. Sie öffnete die Backofentür, um das Hühnchen mit dem Bratensaft zu übergießen. Anne nahm das Gespräch wieder auf.
»Also, die Sache ist die … Charlotte und ich hatten neulich eine kleine Unterhaltung.«
Janet sah auf und merkte, dass ihre Brillengläser von der Brathitze beschlagen waren. »Mist«, murmelte sie, nahm die Brille ab und wischte sie an ihrem Pullover ab. Als sie die Brille wieder aufsetzte, konnte sie wieder klar sehen. Anne lächelte, ihre Mundwinkel zuckten unentschlossen.
»Das ist ja
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