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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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zerstört.
    Tillmanns Schritte näherten sich wieder. Ich hielt die Luft an. Etwas Knisterndes plumpste neben mir auf das Kopfkissen und ein zarter Hauch Kakao streifte meine Nase.
    »Ich bin nicht besonders gut im Trösten«, bemerkte Tillmann sachlich. Sein Bett gab knarzend nach, als er sich auf seinen gewohnten Platz an der Wand setzte. »Aber Schokolade ist nie verkehrt. Da ist irgendwas drin, was die Stimmung aufhellt.«
    Ich lachte unter Tränen. Ich hatte im Moment wirklich überhaupt keine Lust auf Schokolade. Trotzdem griff ich danach und schob mir ein Stück in den Mund. Ansehen wollte ich Tillmann immer noch nicht.
    »Ich finde, du gehst ein bisschen zu hart mit dir ins Gericht, Ellie.« Tillmann klang wieder mal sehr schulmeisterlich. Nun wusste ich ja, dass es sozusagen ein Erbstück war. »Wenn morgen ein Asteroid auf die Erde kracht, bist du wahrscheinlich auch schuld, weil du heimlich einen Pups gelassen und damit die Umlaufbahn der Planeten gestört hast, oder?«
    Ich zog ein Taschentuch aus meiner Jeanstasche und putzte mir ausführlich die Nase, bevor ich wagte zu antworten.
    »Ich ertrage den Gedanken einfach nicht, dass meine Mutter da ganz allein in diesem großen Haus sitzt und mich insgeheim hasst. Jetzt hat sie niemanden mehr. Aber ich halte es auch nicht bei ihr aus, weil ich ständig das Gefühl hab, mich verteidigen zu müssen. Und gleichzeitig tut sie mir so unendlich leid. Sie tut mir so leid!«
    »Ja, aber deine Mum ist erwachsen. Außerdem - ich hab meinen Dad ein bisschen ausgequetscht wegen ihm und den Gesprächen mit ihr. Du liegst da völlig falsch, Ellie.«
    »Hat sie ihm etwa irgendwas verraten?«
    »Nein, hat sie nicht. Mein Dad denkt auch, dass dein Vater verschollen ist. Aber deine Mum hat wohl gesagt, dass sie damit schon sehr lange gerechnet hat und es immer wieder kritische Situationen gab.«
    »Kritische Situationen?« Ich drehte mich zu Tillmann um, denn meine Tränen waren einigermaßen versiegt. Kritische Situationen -das war ja eine nette Untertreibung. Und so typisch für Mama.
    Tillmann nickte. »Und sie meinte auch, dass sie ihn furchtbar vermisst, aber es manchmal fast schlimmer gewesen ist, sich ständig davor zu fürchten, dass er abtaucht. Sie macht sich vor allem Sorgen um dich. Dass du ihn suchen gehen könntest. Sie rechnet damit und hofft einfach nur, dass deine Seele keinen Schaden nimmt. Das hat sie meinem Dad gesagt. Und das klingt nicht so, als würde sie dich hassen.«
    Ich legte mir ein zweites Stück Schokolade auf die Zunge und ließ es langsam zergehen. Tillmann hatte unrecht. Er konnte trösten, obwohl er dabei die Ausstrahlung eines Gefrierschranks besaß und seine Worte mich weder beruhigen noch von meinen Schuldgefühlen befreien konnten.
    »Ich finde außerdem, dass du dich ganz gut schlägst. Du versuchst, deinen Bruder zu retten, und das mit Colin ist ja wohl auch nicht leicht. Und nebenbei schreibst du ein Einserabitur. Du solltest ein bisschen nachsichtiger mit dir sein. Echt, mach dich mal locker, Ellie.«
    »Locker«, schnaubte ich. »Pfff ...« Es war mir immer schleierhaft gewesen, wie das bitte funktionieren sollte. Sich auf Kommando locker zu machen. Ich hörte den Spruch nicht zum ersten Mal. Trotzdem wusste ich, wie ich ihn bei Tillmann zu nehmen hatte. Tillmann erwartete das nicht von mir. Schon gar nicht sollte ich es für ihn tun. Ich sollte es für mich selbst tun.
    »Außerdem ...« Tillmann streckte die Arme über den Kopf und gähnte mit knackendem Kiefer. »Außerdem hab ich eine Überraschung für dich.« Er deutete auf das Regalbrett schräg oberhalb von mir. »Hinter dem alten Arztkoffer.«
    Ich stand auf und schob das Köfferchen zu Seite.
    »Die Kamera!« Tillmann hatte es geschafft - das Loch war gebohrt, die Kamera in Position. Probehalber schaltete ich sie ein und schaute durch die Linse. Sie war direkt auf Pauls Bett gerichtet, in einem beeindruckenden Weitwinkel, der auch das Fenster mit einschloss.
    »Sie kann in der niedrigsten Qualität drei Stunden am Stück aufnehmen«, erläuterte Tillmann stolz. »Wir können also einschlafen. Wir müssen sie nur rechtzeitig anschalten. Das werden wir ja wohl schaffen.«
    »Und was ist, wenn er sie bemerkt? Wenn er irgendwie spürt, dass er beobachtet wird?«, fragte ich und meine Stimme hörte sich plötzlich sehr piepsig an. »Du weißt doch, dass Mahre nicht entdeckt werden wollen.«
    »Es ist nur eine Kamera. Eine Linse. Kein Mensch. Oder?« Tillmann biss sich kurz auf

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