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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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köchelten, nahm sie einige Bilder von der Wand und hängte die übrigen um, bis sie eine vollkommen andere Wirkung erzielten. Friedvoller, aber auch bedeutsamer.
    »Sie dürfen nicht in Massen nebeneinander an der Wand kleben«, erklärte Gianna zwischendurch. »Es sind Traumbilder. Sie haben eine spirituelle Bedeutung. Es müsste verboten sein, sie zu verkaufen. Die Aborigines glauben an diese Gemälde. Diese Bilder leben. Verstehst du das?«
    Ich nickte stumm, bevor ich weitererzählte und Gianna die umgestaltete Flurgalerie mit einem zufriedenen Gutachterblick alleine ließ, um sich wieder um das Essen zu kümmern.
    Als ich endlich fertig war, tischte sie auf. Ihre Spaghetti alla Mamma schmeckten so gut - fruchtig, süß und scharf zugleich -, dass ich alles um mich herum vergaß und eine Weile brauchte, um zu kapieren, was da in meiner Hosentasche vibrierte. Ich ließ die Gabel mitten in das soßengetränkte Spaghettinest auf meinem Teller fallen, fummelte mein Handy aus meiner Jeans und nahm ab.
    »Tillmann? Hast du ihn aufhalten können? Bist du aufs Schiff gekommen?«
    Gianna hörte auf zu essen und wandte ihren sensationslüsternen Blick nicht vom Handy ab, während sie mir ein paar Spritzer Tomatensoße von der Wange wischte.
    »Hi, Ellie«, schallte Tillmanns dunkle Stimme in mein Ohr. Gott sei Dank, er war es. »Ja, ich bin aufs Schiff gekommen, aber ...«
    »Was aber?« Ich stand auf.
    »Aber nicht wieder runter.« Tillmann klang sehr endgültig.
    »Bitte was?«
    »Es hat abgelegt, bevor ich Paul gefunden habe, und ich wollte keinen Aufstand machen, immerhin war ich anfangs so etwas wie ein blinder Passagier. Ich bin, ähm, durch die Lagerräume ins Schiff geschlichen. Aber Paul hat das geregelt. Bitte, Ellie, dreh nicht durch. Wir sind schon aus dem Hafen draußen. Und ich glaube, dass es das Beste ist, Paul erst mal gar nichts zu sagen.«
    Gianna wedelte aufgeregt mit den Händen.
    »Warte mal, Tillmann. Was ist?«
    »Auf keinen Fall Paul etwas sagen!«, zischte sie. »Es ist zu gefährlich. Er würde es nicht glauben, selbst wenn ihr ihm die Aufnahmen zeigt.«
    Ich fragte mich, woher Gianna das wissen wollte. Sie kannte Paul gerade mal eine Stunde lang und erst seit zwanzig Minuten wusste sie von der Existenz von Nachtmahren. Doch Tillmann kam weiteren Diskussionen zuvor.
    »Ich hab kein Ladegerät dabei und der Handyakku ist halb leer. Ich melde mich später, wenn die Luft rein ist, okay?« Schon hatte er aufgelegt. Ich ließ meinen Hintern unsanft zurück auf den Stuhl fallen.
    Gianna lehnte sich zur Seite, bis sie mit den Fingerspitzen an die Ramazzotti-Flasche herankam, die inmitten einer exquisiten Auswahl internationaler Spirituosen auf dem Küchenbord stand. Ehe ich mich versah, schob sie mir und sich ein randvolles Schnapsglas vor die Nase.
    »Auf ex!«, befahl sie. Ich war zu aufgewühlt, um zu protestieren. Wir stießen an und kippten das Zeug mit Schwung unsere Kehlen hinunter.
    »Der kleine Scheißer ist also auf dem Schiff?«
    Gianna tätschelte mir mütterlich den Rücken, weil ich vor lauter Husten beinahe erstickte. Ich nickte keuchend.
    »Na, dann ist dein Bruder wenigstens nicht allein. Los, noch einen.« Gianna schenkte nach. Ich nahm artig einen großen Schluck und nun schmeckte das Gesöff ein wenig besser. Außerdem wärmte es mich. Mein Gesicht war zwar immer noch fiebrig, aber in meinen Eingeweiden lagerten Eisquader.
    »Wie kommst du eigentlich auf die Idee, dass die Filmaufnahmen meinem Bruder nicht die Augen öffnen würden?« Meine Zunge wurde bereits schwer. Giannas Zunge jedoch saß lockerer denn je. Sie plapperte unbeschwert drauflos.
    »Erstens könnte das alles ein Trick sein. Ehrlich, Ellie, wenn ich eure Reaktionen nicht erlebt hätte, hätte ich auch gedacht, dass das ein Fake ist. Man kann so etwas am Computer basteln, mit Super 8 abfilmen, und schon hat es diesen dokumentarischen Echtheitscharakter. Das könnte ein x-beliebiges YouTube-Video sein. Dort gibt es auch Zigtausende Beweise für die Existenz von Aliens. Es ist ein Wunder, dass wir nachts überhaupt noch den Mond sehen zwischen all den Raumschiffen, die da oben angeblich herumschwirren. Nimm François’ Fresse, bearbeite sie mit Photoshop, drehe sie verkehrt rum, ein paar Ratten dazu - fertig. Ein Prosit auf das digitale Zeitalter.« Gianna hob ihr Glas. »Ach, was heißt digital«, schnatterte sie weiter. »Wissen wir, ob die Amis tatsächlich auf dem Mond waren? Nein, wissen wir nicht. Könnte alles

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