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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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»Na ja. Blau ist was anderes. Aber es geht in die Richtung.«
    Er dachte nach und wirkte dabei, als würde er im Kopf ein Personenprofil nach dem anderen checken.
    »Nein«, sagte er schließlich. »Nein - das wüssten sie. Das wüsste ich.« Der Ernst, der seinen Mund verhärtete, machte mir Angst. Und seine Worte erst recht.
    »Das wüssten sie? Wen meinst du damit?«
    »Die Mahre. Wir. Wir kennen die Halbblüter. Er gehört nicht dazu.«
    Für einen Moment gefror das Blut in meinen Adern, bevor es wilder als je zuvor durch meine Brust schoss. Meine Schläfen begannen zu dröhnen.
    »Es gibt eine Liste, Elisabeth - nicht auf dem Papier, sondern in unseren Köpfen. Eine Liste mit allen Halbblütern dieser Welt. Es sind nicht viele. Er steht nicht drauf.«
    Aber Papa, dachte ich in jähem Schrecken. Papa steht drauf.
    »Warum gibt es diese Liste?«, fragte ich atemlos, obwohl ich die Antwort schon ahnte. Jegliche Weichheit war aus Colins Zügen gewichen, als er seine langen Wimpern hob, um mich fest anzusehen.
    »Weil sie getötet werden sollen. Alle. Ohne Ausnahme. Sie wissen zu viel.«
    Das Dröhnen in meinen Schläfen ging in ein erregtes Hämmern über und unter meinen Achseln brach schlagartig der kalte Schweiß aus.
    »Oh nein ... Papa ...«, flüsterte ich. »Sie haben ihn umgebracht... Er ist tot...«
    Sie? Colin war einer von ihnen. Er wusste von der Liste. Die ganze Zeit.
    »Warum hast du mir nichts gesagt?«, schrie ich ihn an, als ich kapierte, was das alles eigentlich bedeutete. »Er hat dich gewarnt, er hat dich vor Tessa gewarnt und du lässt ihn ins offene Messer laufen! Er ist mein Vater! Ich liebe ihn! Oh Gott, und ich habe mit dir geschlafen ...«
    Ich drehte mich von ihm weg, doch er packte meine Schultern und zog mich zu sich, bis ich nicht anders konnte, als in seine Augen zu sehen.
    »Er wusste es auch, Ellie. Er wusste von der Liste. Er hat es mir gesagt. Und wir sind beide übereingekommen, es dir nicht auf die Nase zu binden. Hast du mich verstanden?«
    Ja, das hatte ich, aber es änderte nur wenig an meinem inneren Aufruhr.
    »Dann verrate mir doch endlich, was los ist! Haben sie ihn umgebracht?« Ich wollte es hören, sofort, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie ich damit leben sollte.
    »Ich weiß es nicht. Ich habe ehrlich keine Ahnung, Ellie. Ich war in den vergangenen Monaten damit beschäftigt, meine Spuren zu verwischen und mich von Mahren fernzuhalten. Denn sie hätten mich an Tessa verraten können. Ich weiß nicht, welchen Stand ich bei den anderen habe. Möglicherweise gibt es für mich ja auch einen Mordbefehl.«
    »Also kann es sein, das er noch lebt?«, fragte ich hoffnungsvoll. Es klang beinahe wie ein Betteln.
    »Ja, es kann sein. Er hat immerhin Verbündete. Aber es kann genauso gut sein, dass er tot ist, Ellie. Es tut mir aufrichtig leid.«
    »Du weißt doch gar nicht, wie es ist, einen Vater zu haben«, zischte ich und schämte mich im gleichen Augenblick für meinen Ausbruch. Colins Augen verloren ihr Glitzern, als er mich wieder losließ.
    »Aber ich weiß, dass du ihn geliebt hast«, sagte er bestimmt.
    »Ich tu es immer noch! Er ist für mich erst tot, wenn ich es schwarz auf weiß habe, klar? Denn ich, ich bin schuld an alldem, ohne mich wäre es nicht passiert, ohne mich wäre er noch bei uns, in Sicherheit ... Ich kann es nicht ertragen, schuld zu sein. Er muss leben!«
    Es war noch viel dramatischer, als ich befürchtet hatte. Papas Name stand auf einer Todesliste, wahrscheinlich gleich ganz oben. Das war ja wie im Mittelalter. Und seine eigene Tochter hatte ihn ins Verderben geritten. Mama musste mich hassen, wenn sie davon erfuhr. Sie durfte niemals davon erfahren ...
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es auch weiß, Lassie. Bitte, hör mir zu. Die Liste gab es schon lange vor dir. Die Mahre sehen Halbblüter als Ergebnis ihres Versagens an. Eines ihrer Opfer hat sie abschütteln können, ist zwischendrin hängen geblieben. Keine Metamorphose. Weder Mensch noch Mahr. Halbblüter sind potenzielle Verräter. Und wenn man es ganz genau nimmt, gehöre ich auch dazu, weil ich versuche, möglichst menschlich zu bleiben, und Tessa ihr Werk nicht habe vollenden lassen. Ich stehe nur deshalb nicht auf dieser Liste, weil ich von Geburt an ein Dämon war. Halbblüter haben Kontakt mit Menschen und erinnern sich ans Menschsein, wissen um dessen Vorzüge. Das macht sie unberechenbar. Du selbst hast damit nichts zu tun.«
    »Aber Papa hat Tessa verraten und ...«
    Colin

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