Scherbenmond
das für eine Insel?«
Das Reden fiel mir immer noch schwer, und der Umstand, dass ich kaum mehr Spucke im Mund hatte, machte es nicht einfacher. Colin beugte sich zu mir hinunter und drückte mir eine Tasse mit
Wasser an die Lippen.
»Es ist keine Insel. Es ist eine Sandbank. Ich habe hier die Stelle des Vogelwarts übernommen. Eigentlich beginnt seine Aufgabe erst im März, aber ...« Colin machte eine kurze Handbewegung und ich ahnte, was sie bedeutete. Für Mahre gab es gerne und oft Ausnahmeregelungen. Vogelwart - das war mindestens ebenso uncool wie Forstgehilfe, doch diesmal verkniff ich mir einen ironischen Kommentar Ich wusste inzwischen, warum Colin sich derartige Berufe zulegte. Er brauchte die Zurückgezogenheit. Diese Zurückgezogenheit war mir jedoch einen Tick zu exzentrisch.
»Das heißt, außer dir gibt es niemanden hier? Du bist ganz alleine?«
Colin half mir aufzustehen, nachdem ich einen Schluck Wasser getrunken hatte - oh Wunder, mein Magen behielt ihn bei sich -, und führte mich zu einem der Panoramafenster. Trischen war wirklich nur eine Sandbank. Es gab diese Hütte und sonst nichts. Und die Hütte bestand aus einem einzigen kahlen Raum. An der Wand stand ein Bett - ein gemütliches Bett, musste ich zugeben -, daneben ein Schreibtisch, es gab eine kleine Kochnische und einen Schrank. Das war alles.
Colin hatte es im Sommer verweigert, mich in die Geheimnisse seiner Verdauung einzuweihen, doch diese Behausung war schließlich nicht für Mahre konzipiert und ...
Mit einem Zwinkern in den Augen wies Colin nach unten.
»Für ganz dringende Fälle. Besteht ein solch dringender Fall? Wenn ja, muss ich dir meine Begleitung anbieten, denn ...«
»Nein«, unterbrach ich ihn errötend. »Ich - ich glaube, ich habe keine inneren Organe mit dringenden Anliegen mehr. Außer meinem Magen. Aber dem geht`s schon ein bisschen besser.« Vielleicht hatte ich mir ja vor lauter Angst auf dem Weg hierher in die Hosen gemacht. Wenn, würde es nicht auffallen. Ich war klitschnass, während Colins Klamotten - wie immer Hemd und Hose und zerfallende Stiefel - fast wieder trocken waren.
»Du musst aus deinen Sachen raus«, forderte er mich mit rauer Stimme auf. Tja. Das musste ich wohl. Doch meine Hände waren so klamm, dass ich mehrere Anläufe benötigte, um den Reißverschluss meiner durchnässten Jacke zu öffnen. Colin unternahm keinen Versuch, mir zu helfen, aber seine Augen hingen an mir. Ohne den Blick von mir abzuwenden, zog er sich sein Hemd aus und warf es mir zu.
Mein Arm gehorchte zu spät und es segelte zu Boden. Ein betörender Duft stieg zu mir auf. Für einen Moment schwankte ich. Colin beobachtete mich unentwegt, während der Wind am Gebälk der Hütte rüttelte, als wolle er sie zum Einstürzen bringen. Ich stülpte mir den Pullover über den Kopf und fiel beinahe auf die Knie, als ich aus meiner Jeans kroch, die wie Pattex an meinen Beinen klebte. Meine Unterwäsche war einigermaßen trocken geblieben. Schweigend schob ich die Jeans mit meinen Füßen zur Seite. Dann bückte ich mich, um das Hemd aufzuheben.
Lautlos trat Colin auf mich zu, öffnete seinen Gürtel und zog ihn mit einer einzigen schnellen Bewegung aus den Schlaufen. Die Metallschnalle klirrte leise.
Ich stockte. Was wurde das denn jetzt?
»Das ist kein Spiel, Ellie.«
Ich hob meinen Blick und wagte es, ihn anzusehen - während ich mich vor seinen Augen ausgezogen hatte, hatte ich dies tunlichst vermieden. Warum, wusste ich nicht genau, aber nun ahnte ich es. Seine weiße Haut war wie ein Magnet. Bevor ich meine Lippen auf seine nackte Brust drücken konnte, schnappte er sich mein Handgelenk und schob mir den Gürtel zwischen die Finger. Automatisch griff ich danach.
Er ging rückwärts auf das Bett zu, setzte sich ans Kopfende und erhob die Hände, um sie über sich an die altmodische Gitterkonstruktion zu schmiegen. Die Muskeln an seinen Oberarmen wölbten sich sanft.
»Fessle mich. Bitte.«
Ich zögerte kurz. War das nun wirklich nötig oder eine beliebte sexuelle Gepflogenheit der Mahre? Wenn Letzteres der Fall war, dann ... »Es ist kein Spiel«, hatte er gesagt. Und die Worte hallten noch immer in meinem Bauch wider. Nein, es war kein Spiel.
»Etwas fester. Sicherheitshalber«, bat mich Colin. »Keine Angst, du tust mir nicht weh.« Es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren, denn ich saß halb nackt auf dem Schoß eines Cambions in einer sturmumwehten Hütte mitten auf dem Nordmeer und dieses Nordmeer hatte mir
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