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Scherbenmond

Titel: Scherbenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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er höflich und lehnte sich an die Wand. »Ich bin mir sicher, ich kann sie zu deiner vollen Zufriedenheit beantworten.«
    »Ich hab es auf dem Pferd schon gesagt: Warum so dramatisch? Du weißt, dass ich Angst vor Louis habe, und ich habe auch beim letzten Mal keine Freudenschreie ausgestoßen, als du mich, ohne zu fragen, auf seinen Rücken gezogen hast. Ich meine, gut, von außen betrachtet: zweifellos eine wundervolle Szene, das schwarze Ross am finsteren Meer, und der Reiter ist erst recht finster, dazu die holde Maid im feuchten Sand. Aber stand ein Hollywood-Kamerateam in den Dünen? Nein, oder? Hättest du dich nicht einfach ganz normal mit mir treffen können?«
    Colin atmete schnaubend aus und ich hätte ihm ans Schienbein treten können, weil er schon wieder zu grinsen begann.
    »Ich habe dir mal erzählt, dass Louis das Böse in mir zügelt, oder? Ich wollte sichergehen, dass ich dir nichts tue und möglichst menschlich bin, wenn ich dich wiedersehe. Du hast mir gefehlt, Lassie. Das hat mein Begehren nicht unbedingt vermindert.«
    »Okay«, murmelte ich schwach und musste zugeben, dass seine Antwort meinem Unmut erheblichen Schwung nahm. Doch es war nicht die einzige Frage gewesen, die mir auf den Lippen brannte. »Dann weiter. Warum ein anonymer Brief?«
    »Ich habe etliche Male versucht, mich dir im Geiste zu nähern, und dafür übrigens trainiert und meditiert bis zum Exzess.« Er verzog kurz den Mund. »Und ich habe, wie bereits erwähnt, eine Gefahr gewittert, konnte sie aber nicht zuordnen. Ich weiß nicht, wer dieser Mahr ist, und auch nicht, wo er sich befindet. Ich hatte lediglich den Eindruck, er ist in deiner Nähe. Und sollte sich dies als richtig erweisen, wäre es nicht klug, ihm ein Indiz für die Tatsache zu liefern, dass du dich mit einem Cambion verbündet hast.«
    Das klang zwar ein bisschen nach Sherlock Holmes, hörte sich jedoch durchweg logisch an. Vor allem aber nahm es meinem dritten Einwand die Grundlage.
    »Gut, ja. Mag sein. Denn eigentlich würde ich erwarten, dass du schleunigst herkommst und etwas unternimmst, wenn ein Mahr an meinen Träumen knabbert.«
    »Ich war vor vier Tagen noch in der Südsee. Schleunigst genug? Und ich wollte dich nicht in den Tod treiben, indem ich plötzlich bei dir auftauchte und dem anderen Mahr in dessen Augen die Nahrung streitig machte. - Deinem Bruder wäre das übrigens auch nicht gut bekommen.«
    »Aha.« Ich kam mir mit einem Mal vollkommen dämlich vor. Natürlich hatte es Gründe gegeben für Colins Vorgehensweise. Ich ärgerte mich, dass ich selbst nicht darauf gekommen war und nur meine Pfeile geschärft hatte, anstatt logisch nachzudenken. Dabei war das schließlich eine meiner Stärken - logisch zu denken. Anscheinend hatten die Glücks- und Angsthormone mein Hirn vernebelt.
    »Das kannst du alles nicht wissen, Ellie«, beantwortete Colin nachsichtig meine Gedanken. »Mahre sind sehr gierig, und wenn sie spüren, dass ein anderer Mahr sich ihren Traumopfern nähert, sind sie mitunter bereit, das Opfer zu töten, damit ihr Konkurrent sich nicht an ihm laben kann. Du wirst verstehen, dass ich das nicht riskieren wollte.«
    »Ja, klar. Das verstehe ich«, erwiderte ich trotzig. Ich verstand es sogar so gut, dass meine Angst erneut die Regie übernahm und meinen Unmut zum Ersterben brachte. »Trotzdem kapier ich nicht, warum du mich an diesen gottverlassenen Ort schleppst, obwohl es gefährlich ist, mit dir hier in dieser Hütte zu sein.«
    »>Trotzdem< ist dein Lieblingswort, hm?«, fragte Colin schmunzelnd.
    »Dicht gefolgt von >nein<«, antwortete ich reserviert. Sein Schmunzeln verbreiterte sich zu einem belustigten Grinsen, doch nachdem er sich die letzten Wassertropfen aus den Haaren geschüttelt hatte, verschwand es wieder.
    »Mal ungeachtet dessen, dass du mich angefleht hast, mitkommen zu dürfen, dachte ich, es könnte dich dazu ermuntern, mich endgültig zu verlassen und dich zu entliehen«, sagte er emotionslos.
    »Bitte was? Hast du den Verstand verloren?«, rief ich erzürnt. »Entliehen, wie soll denn das funktionieren?«
    »Oh Ellie, ich habe das bei euch schon tausendmal beobachtet. Menschen sind perfekt im Entliehen.«
    »Na, wenigstens können wir lieben«, zischte ich und bereute es im gleichen Moment. Colins Gesicht versteinerte sich. »Ist mir rausgerutscht. Es tut mir leid. Aber du machst mich wahnsinnig, Colin, ich kann nicht mehr klar denken ...«
    »Genau das meine ich, Ellie.« Er setzte sich auf das Bett und

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