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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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weinend zusammenbreche oder hysterisch werde, dass ich Depressionen kriege und vom Hochhaus springe… keine Ahnung, was ihr vorhabt. Ist auch scheißegal. Ihr schafft es nicht.«
    Maja stützte das Kinn in die Hand und sah Pat fragend an. »Dann sollten wir all diese fiesen Sachen wohl besser bleiben lassen. Was meinst du, Pat?«
    »Würde ich ja sofort.« Pat setzte einen Unschuldsblick auf. Ihre Stimme klang zuckersüß. »War ja wirklich mies, das Foto von Sandra ins Netz zu stellen. Echt jetzt. Und dann die Kotztüte, das war nicht nett. Völlig daneben. Wo doch alle wissen, dass Sandra einfach nur auf ihre Figur achtet und gar nicht magersüchtig ist. Tja, also… wie gesagt: Ich würde ja sofort damit aufhören.« Bedauernd breitete sie die Arme aus und klimperte mit den Wimpern. »Aber leider waren wir das nicht.«
    Maja zog eine Schnute. »Sandra, Engelchen, du hast die Falschen angemacht. Und das war nicht nett von dir.«
    Was? Sollte sie sich geirrt haben? Verunsichert starrte Sandra die beiden an. Mit völlig gelangweilter Miene hielten sie ihrem Blick stand.
    »Vielleicht solltest du dich entschuldigen«, meinte Pat und stützte nun ebenfalls das Kinn in die Hand.
    »Ich glaube euch kein Wort. Lasst mich einfach in Ruhe. Ja? Sonst…«
    »Sonst?«, fragend stiegen Majas gezupfte Brauen in die Höhe.
    »Sonst springt sie vom Hochhaus. Hast du doch gehört.«
    »Das gibt nicht mal einen Fettfleck!« Maja brach in gackerndes Gelächter aus. Pat stimmte ein. Und nicht nur sie. Alle lachten. Sami schlug sich auf die Schenkel, Tina prustete, Charlies Kopf wurde ganz rot vor Lachen, Marlene kicherte still, während Anke glucksend den Kopf nach hinten warf. Alle fanden das lustig. Alle wollten, dass sie vom Hochhaus sprang. Alle. Bis auf Alina und… Sandra sah zu Janina. Auch sie kicherte. Maja liefen inzwischen Lachtränen über die Wange.
    In Sandras Kopf setzte sich ein weißes Rauschen fest, das alles überlagerte. Das Denken. Das Handeln. Das Fühlen. Ihre Beine bewegten sich von ganz allein, gingen mit ihr aus dem Klassenzimmer, aus der Schule, trugen sie über die Straße bis zur U-Bahn-Station. Stiegen mit ihr auf die Rolltreppe und brachten sie auf den Bahnsteig. Ganz nah an die Kante. In einer Minute kam die nächste U-Bahn. Das stand auf der Anzeigetafel.
    »Mensch. Sandra.«
    Sie fuhr herum. Das weiße Rauschen ebbte ab.
    Alina stand atemlos vor ihr. Sie trug Sandras Tasche und Jacke in der Hand. Den Schal hatte sie sich um den Hals gelegt.
    »Gib nichts drauf. Das sind zwei doofe Tussen und neidisch obendrein. Lass dich doch von denen nicht fertigmachen. Komm, wir gehen erst mal nach draußen. Wieso bist du überhaupt hier runter?«
    Was machte sie hier? Sandra wusste es nicht. Wusste nicht mal, wie sie hierhergekommen war.
    Ein kalter Luftzug strömte aus dem Tunnel, das Rattern der nahenden U-Bahn wurde lauter. Mit quietschenden Bremsen fuhr sie in den Bahnhof ein.

17
    Alina reichte ihr Jacke und Schal und, als Sandra beides angezogen hatte, auch noch die Tasche. »Deutsch schwänzen wir jetzt. Joswig wird uns das schon durchgehen lassen. Ich bringe dich heim und dann quatschen wir ausgiebig. Quatsch: wir lästern! So richtig fies. Wirst sehen, das tut gut.«
    Sandra bekam nur die Hälfte mit. Nach Hause gehen… das ging nicht… die Wohnung… der Dreck. Sie schüttelte den Kopf.
    »Was? Nicht lästern? Sandra, du bist einfach zu nett.«
    »Ich will nicht heim. Lass uns woanders hingehen. Ins Einkaufszentrum vielleicht.«
    »Okay. Wie wär’s mit einem Latte?«
    Klar, das wäre toll. Aber ich habe kein Geld. »Gut.« Sollte Alina sich einen Kaffee kaufen. Mit der Rolltreppe fuhren sie nach oben, überquerten den Platz und betraten das Einkaufszentrum. Wenn Joswig nun eine Entschuldigung verlangte? Dann würde sie eben Lauras Unterschrift fälschen. Darauf kam es jetzt auch schon nicht mehr an.
    Joswig. Bei der Erinnerung an sein Gesicht… diese Augen… das süße Grübchen… die Lippen, die irgendwie energisch wirkten… bei der Erinnerung an ihn fühlte sie sich sofort ein wenig leichter, beinahe froh.
    Hallo? Geht’s noch? Was war los mit ihr?
    War sie etwa drauf und dran, sich in Joswig zu verlieben? In ihren Lehrer? Sandra, du bist so was von bescheuert. Nein. Sie war nicht verliebt. Joswig war nett und es tat ihr gut, dass es in dem ganzen Schlamassel, in dem sie steckte, jemanden gab, den sie vielleicht um Hilfe bitten konnte. Notfalls. Wenn sie das nicht mehr packte, wenn Laura

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