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Scherbenparadies

Scherbenparadies

Titel: Scherbenparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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aufgeräumt werden. Diese Aufgaben holten Sandra aus ihrem Tief. Im Laufe des Nachmittags wurde der Chor in ihrem Kopf leiser, verblassten die Gesichter ihrer Klassenkameraden. Das hämische Grinsen, der Hass in Pats Augen, die Schadenfreude in Marlenes Gesicht, Alinas Enttäuschung.
    Vanessa ging zum Spielen nach oben zu Ayshe. Wäsche musste gewaschen werden. Sandra ließ Wasser ins Waschbecken im Bad einlaufen und wusch mit Shampoo zwei von Vanessas Pullis, etliche Schlüpfer und Socken und dann noch für sich ihre zweite Jeans. Zum Trocknen verteilte sie die Sachen auf den Heizkörpern in der Wohnung. Die Socken hatten keinen Platz mehr, die drapierte sie auf den Rand der Badewanne.
    Nach dieser Aktion fühlte sie sich besser. Die Englischarbeit stand an. Dafür musste sie nicht viel lernen. In Englisch war sie gut. Trotzdem setze sie sich in ihrem Zimmer an den Tisch, um Grammatik zu wiederholen und Vokabeln zu lernen. Doch ihre Gedanken kehrten zu den Ereignissen in der Schule zurück.
    Dass sie einfach abgehauen war… schon wieder… das war nicht gut. Sie hätte sich im Sekretariat krankmelden müssen. Obwohl… der Unterricht hatte ja noch nicht begonnen gehabt, eine Entschuldigung reichte also. Doch dafür musste sie erst Laura auftreiben und bei diesem Gedanken verließ sie jede Kraft.
    An Lauras PC verfasste Sandra kurz entschlossen ein Entschuldigungsschreiben und druckte es aus. Doch dann zögerte sie, Lauras Unterschrift zu fälschen. Das war Betrug. Das ging nicht. Wenn das rauskam… Nein, sie würde die Unterschrift ihrer Mutter nicht fälschen. Sie würde nicht in die Fußstapfen ihres Vaters treten. Kurz entschlossen unterschrieb sie mit ihrem eigenen Namen. Niemand würde das überprüfen. Auch wenn Joswig die Unterschrift ihrer Mutter nicht kannte… es ging einfach nicht.
    Joswig. Bei dem Gedanken an ihn ließ die Anspannung plötzlich nach und ihr Kopf wurde ganz leicht. Im selben Augenblick verbot sie sich jede weitere Erinnerung an ihn. Sie hatte schon genug Probleme. Mehr als genug. Es war geradezu idiotisch, sich auch noch zu verlieben… und ausgerechnet in ihn. Liebeskummer war in der jetzigen Lage so überflüssig wie Beulenpest. Sandra schob alle Bilder von Joswig beiseite.
    Sieben Monate noch. Die würde sie durchhalten. Irgendwie. Sieben Monate. Das war nur ein bisschen mehr als ein halbes Jahr. Achtundzwanzig Wochen, beinahe zweihundert Tage. Adventszeit, Weihnachten, Silvester, Fasching, Ostern. Mit einem Mal erschien ihr diese Zeitspanne unendlich lange. Die Mobbingattacken gegen sie liefen seit zwei Wochen. Wenn das so weiterging? Achtundzwanzig Wochen lang! Das konnte niemand durchstehen.
    Sandra ließ sich aufs Bett fallen und zog die Decke um sich.
    Als Vanessa von Ayshe kam, wachte sie auf. Verdammt! Sie war eingeschlafen, obwohl sie doch für Englisch hatte lernen wollen.
    Nachdem sie zu Abend gegessen und Vanessa zu Bett gebracht hatte, setzte sie sich wieder an den Schreibtisch. Doch es war zwecklos. Sie war einfach zu fahrig und zu unruhig.
    In der Nacht schlief sie schlecht und träumte lauter wirres Zeug. Pat hatte einen Zauberstab in der Hand. Sie sah aus wie die Schneekönigin. Sie hob den Stab, ein Grollen erklang, wurde lauter, schwoll zu einem tosenden Donnern an. Der kalte Luftzug verwandelte sich in einen eisigen Sturm. Eine weiße Wand baute sich vor Sandra auf, eine Lawine überrollte sie, begrub sie, sie bekam keine Luft, ruderte verzweifelt mit Armen und Beinen, um an die Oberfläche zu gelangen.
    Keuchend wachte sie auf und schlief sofort wieder ein. Majas Mund war riesengroß, ein Schlund, der alles verschluckte. Marlenes Kichern wurde zu Widerhaken, die sie auf Sandra schleuderte… wieder und wieder wachte Sandra auf, schweißgebadet. So ging das die ganze Nacht, bis sie um kurz nach fünf völlig fertig aus dem Bett stieg, sich in der Küche einen Becher Pfefferminztee machte und endlich Vokabeln lernte.
    Die Arbeit fand gleich in der ersten Stunde statt. Sandra betrat die Schule zwei Minuten vor acht mit zugestöpselten Ohren. Auch im Klassenzimmer nahm sie die Kopfhörer nicht raus. Den Blick hielt sie gesenkt oder auf die Wand gerichtet. Sie wollte Maja und Pat, Sami und Charlie, Marlene, Janina und Alina nicht sehen und schon gar nicht hören. Keinen von ihnen. Sie setzte sich auch nicht auf ihren Platz, sondern ging zur freien Bank in der letzen Reihe, ganz außen. Dort würde sie ab heute sitzen. Ein Statement. Ich gehöre nicht zu euch und ich

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