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scherbenpark

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Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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anderen lieben Menschen erschossen. Einfach so. Das war seine Art, damit umzugehen, dass diese Leute ein Leben führen wollten, in dem er nicht vorkam. Wenn Sie sich vorbereitet haben, wenn Sie die Berichte von der Gerichtsverhandlung gelesen haben, wissen Sie, wie das genau war. Er ist der mieseste, dreckigste, ekligste Abschaum von Mensch, der Ihnen wahrscheinlich jemals begegnet ist. Und Sie schreiben, dass seine Briefe ausdrucksstark sind. Oder Bilder. Haben Sie einmal darüber nachgedacht, was es in mir auslöst, so etwas zu lesen?«
    Frau Mahler öffnet den rot geschminkten Mund und sagt etwas von Hunderttausenden Lesern. Sie hält mitten im Satz inne. Ich sehe sie an und kriege nicht mit, warum sie ihren Mund zuklappt. Kann sein, dass der Blick des Mannes sie zum Schweigen gebracht hat. Jedenfalls existiert zwischen diesen beiden Augenpaaren eine Verbindung, die so gespannt zu sein scheint wie ein Drahtseil. Vielleicht auch wie Stacheldraht.
    Ich bin froh, dass ich nicht direkt dazwischen bin.
    »Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll«, sage ich.
    »Wahrscheinlich kann ich das alles nicht richtig rüberbringen. Aber wenn Adolf Hitler noch leben würde, würden Sie dann auch zu ihm gehen und seine Zeichnungen loben?«
    Ich verstehe, dass ich gerade kläglich scheitere, und senke den Kopf.
    »Ich . . . « beginnt Frau Mahler und verstummt wieder.
    »Frau Naimann«, sagt der Mann leise. Ich hebe überrascht den Kopf und sehe direkt in seine Augen. Sie sind grau wie der Nebel, in dem ich gerade so hoffnungslos strample. »Frau Naimann, ich glaube, ich werde ebenso wenig schaffen rüberzubringen, was mich im Moment bewegt. Man sagt, Worte seien Schall und Rauch, das ist banal, und leider ist das meistens so. Ich möchte nur, dass Sie versuchen zu glauben, dass ich Ihre Gefühle sehr gut verstehe.«
    »Wenn ich irgendwas nicht glaube«, sage ich ebenso leise, »dann, dass Sie auch nur einen Hauch Vorstellung von meinen Gefühlen haben.«
    Frau Mahler entfährt ein entsetztes »Oh«. Der gerundete Mund steht ihr sehr gut. Ich sehe kurz hin und wieder weg. Der Mann nickt.
    »Auch da kann ich Ihnen mit Worten wenig entgegensetzen. Jeder Versuch, es zu beschreiben, kann nur misslingen. Selbst wenn ich das Wort ›Tragödie‹ in den Mund nehme, scheint es mir, als würde ich Ihr Schicksal anmaßend in eine Worthülse packen, die ihm niemals gerecht werden kann.«
    »Da haben Sie völlig recht«, sage ich.
    »Aber irgendwas muss ich ja sagen«, sagt er, und esklingt hilflos und verloren. Jetzt starrt Frau Mahler nicht mehr mich, sondern ihn an.
    Er wendet sich ihr zu und nickt. Ich verfolge erstaunt, wie sie aufsteht, ihren Stuhl wieder ordentlich an den Tisch rückt, mir mit einem verkrampften Lächeln »Auf Wiedersehen, und alles Gute noch« sagt und aus dem Raum verschwindet.
    »Eigentlich«, sage ich in die Stille hinein, »wollte ich mit ihr reden.«
    Der Mann lehnt sich zurück und legt seine Hände vor sich auf den Tisch. »Was hätten Sie ihr denn gesagt?«
    »Dass ihr Artikel unverschämt und dumm war.«
    »Das haben Sie ihr doch bereits erläutert. Außerdem«, er macht eine Pause und schiebt den Teller mit Keksen zwischen sich und mich, »außerdem weiß sie das schon.«
    »Was? Wie bitte?«
    »Sie weiß es, weil ich ihr das schon gesagt habe.«
    Ich betrachte die Kekse. Da sind rechteckige und runde mit Schokoladenüberzug dabei, Butterkekse, sternförmige mit einem Klecks Fruchtmarmelade drin und welche, die aussehen wie eine Spirale.
    »Bitte bedienen Sie sich«, sagt der Mann. »Möchten Sie etwas trinken? Kaffee? Oder Mineralwasser? Wir haben Cola in der Kantine, ich kann für Sie holen.«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Ich möchte Ihnen etwas berichten, was ich redaktionsfremden Menschen sonst niemals erzählen würde«, sagt der Mann und nimmt sich einen runden Keks. »Dann können Sie vielleicht besser verstehen, warumFrau Mahler bei unserem Gespräch nicht mehr dabei ist. Vielleicht finden Sie es dann nicht mehr so . . . so ungerecht. Frau Mahler ist eine Volontärin. Das bedeutet, sie macht gerade eine journalistische Ausbildung bei unserer Zeitung. Und – das ist jetzt wirklich absolut unter uns – sie gehört nicht zu den besten Volontären und nicht einmal zu den guten.«
    Ich sehe ihn an. Er hat von seinem Keks abgebissen und dreht das, was noch übrig ist, in den Fingern.
    »Als der Bericht erschien, war ich gerade verreist«, sagt der Mann. »Frau Mahler hat ihn nach ihrem aufregenden

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