Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
scherbenpark

scherbenpark

Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
Vom Netzwerk:
mache die Augen zu und schaffe es dennoch, ihn genau auf den Mund zu küssen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass er mir entgegengekommen ist.
    Dann mache ich zwei sehr überraschende Entdeckungen. Erstens ist sein Haar dort, wo die Sonne draufscheint, am Hinterkopf nämlich, weich und sehr warm. Zweitens hat er feste trockene Lippen, die sich angenehm anfühlen.
    Ich lehne mich erstaunt zurück und sehe in seine aufgerissenen Augen.
    »Starr mich nicht so an«, sage ich und ziehe ihn zwischen meine Knie.
    Später liegen wir nebeneinander zwischen zwei Decken und mindestens fünf Kissen. Dieses Bett ist eigentlich nur eine sehr breite Matratze, die auf dem Boden liegt, denke ich. Ich höre zu, wie eine verzweifelte Mücke sich summend gegen die Fensterscheibe schlägt.
    Felix verschluckt sich. »Und, wie?« fragt er, nachdem er fertig gehustet hat.
    »Was – wie?«
    »Wie fandest du es?«
    »Klebrig«, sage ich. »Und du?«
    »Affenscharf«, sagt er entspannt. Und fügt stolz hinzu: »Ich habe überhaupt nicht gestöhnt. Das war vielleicht ein Krampf.«
    »Ich habe es gemerkt.«
    »Ich bin deswegen fast explodiert.«
    »Zum Glück nur fast.«
    »Nee, eigentlich ganz.«
    Ich muss lachen.
    »Hat es wehgetan?« fragt Felix.
    »Hätte es sollen? Nein.«
    »Mir auch nicht«, sagt er.
    Die Mücke summt. Ich genieße die Ruhe. Lästig ist nur, dass Felix von einem plötzlichen Rededrang angetrieben wird. Er dreht sich auf die Seite und rückt näher an mich.
    »Wenn es für dich nicht so gut war«, sagt er in mein Ohr, »dann liegt es daran, dass du noch so unerfahren bist. Du musst mehr üben.«
    »Was?« schreie ich. »Du bist derjenige, der üben muss.«
    »Okay«, sagt Felix schnell. »Lass uns mehr üben.«
    »Aber doch nicht mit mir«, sage ich.
    »Mit wem dann?«
    »Mit Paz vielleicht.«
    Er rückt ein paar Zentimeter weg. »Du bist ganz schön fies«, sagt er beleidigt.
    »Ich weiß. Und du bist ganz schön gesprächig. Ich dachte, Männer schlafen hinterher immer ein.«
    Felix lauscht in sich hinein. »Ich nicht«, sagt er. »Ich will nicht schlafen. Überhaupt nicht.«
    »Dann gib mir doch meine Kleider. Die sind da drüben auf dem Boden. Wo deine auch sind.«
    »Warum ich? Warum holst du die nicht selber?«
    »Weil du von uns beiden der Mann bist.«
    Das leuchtet ihm komischerweise ein. »Aber guck nicht hin«, sagt er streng, und ich ziehe mir die Decke über das Gesicht.
    »Wo ist eigentlich deine Mutter?« frage ich unter der Decke.
    »Hier«, sagt Felix. »Du sollst nicht gucken, sagte ich!«
    »Aber wenn du ›hier‹ sagst.«
    »Ich meinte, dort.«
    Ich sehe, wo er hindeutet. Auf den Fernseher, der die ganze Zeit gelaufen ist. Ein Mann und eine Frau lesen die Nachrichten vor.
    »Was ist dort?« frage ich.
    »Die Frau da. Das ist meine Mutter.«
    »Nee«, sage ich. Überrascht ist da noch zu wenig.
    »Wieso nee? Das ist sie.«
    In diesem Moment werden die Namen eingeblendet. Johann Keller und Martina Trebur.
    »Is' ja ein Ding«, sage ich. »Warum ist sie in der Glotze?«
    »Sie arbeitet dort. Siehst du doch. In Berlin.«
    »Sind deine Eltern geschieden?«
    »Ja, was sonst?«
    »Und warum bist du bei deinem Vater geblieben?«
    »Warum denn nicht? Ich wollte nicht nach Berlin. Und ich mag ihren neuen Macker nicht. Und ich bin gern hier. Ich hab hier alles, was ich brauche.« Er wirft mir nacheinander meinen Pullover, meine Hose und meine Socken hin und schaltet den Fernseher aus.

»Wollen wir zusammen weggehen?« fragt Volker am Abend. »Wohin?« fragt Felix missmutig.
    »Von mir aus zum Essen. Zu dem Italiener, wo es dir neulich auch gefallen hat, Felix. Man kann doch nicht die ganze Zeit zu Hause hocken. Oder ins Kino. Was meinst du, Sascha?«
    »Ich weiß nicht«, sage ich. »Mir egal.«
    »Dir ist aber auch alles egal. Was seid ihr zwei doch für Schlafsäcke. Ich war in eurem Alter anders.«
    »Wie warst du denn?« fragt Felix und schließt entspannt die Augen.
    »Ich habe meine Wochenenden bestimmt nicht zu Hause vertrödelt.«
    »Zu Hause«, sagt Felix, »ist es am schönsten.«
    »Ich sollte deinen Computer entsorgen.«
    »Nur mit mir zusammen.«
    »Wenn Sie wollen, gehe ich mit Ihnen aus«, sage ich. »Zum Italiener oder ins Kino oder beides.«
    »Und wann sagst du Du zu mir?«
    »Irgendwann«, sage ich. »Wenn es so weit ist.«
    »Wenn ihr weggeht, komme ich mit«, sagt Felix. »Ich bin eh immer allein zu Hause.«
    »Das meine ich auch«, sagt Volker.
    Wir steigen in den silbrigen Audi und fahren

Weitere Kostenlose Bücher