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scherbenpark

scherbenpark

Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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viermal.
    Die große Tochter begann zu schreien. Sie schrie so laut, dass die Fensterscheiben rausflogen. Sie versuchte, ihre Mutter aufzurichten, aber die war zu schwer und schlaff und lag in einem Meer von Blut. Dann sprang die Tochter den Mann an, der die Pistole in der Hand hielt, und drosch mit den Fäusten auf ihn ein und brach ihm dabei übrigens die Nase.
    Sie weiß bis heute nicht, warum er sie nicht auch erschossen hat.
    Er warf sie herunter und knurrte: ›Wo ist er?‹ Ermeinte den Prinzen, der mit den jüngeren Kindern gerade in der Küche saß. Dann kam auch er heraus und zitterte vor Entsetzen und Angst. Die Kinder rannten raus, sahen ihre Mutter und begannen zu schreien. Der Mann hob wieder die Pistole, und der Prinz versuchte sich zu retten, indem er ins Schlafzimmer rannte. Er warf die Tür zu, aber der Mann schoss durch die Tür.
    Die große Tochter rannte mit den beiden Kleinen raus und klingelte beiden Nachbarn. Aus dem Treppenhaus hörte sie noch zwei Schüsse. Die Nachbarn zerrten sie mit den Kindern rein und knallten die Tür zu.
    Danach kam der Mann mit der Pistole heraus und klingelte ebenfalls beiden Nachbarn. Aber sie wollten ihn nicht reinlassen. Er sagte, sie sollen die Polizei rufen. Auf diese Idee kamen sie auch gerade.
    Er wartete im Treppenhaus auf den Stufen, bis er festgenommen wurde. Er gab ohne Widerrede die Pistole ab und legte ein Geständnis ab. Vor Gericht sagte er, seine Frau habe ihn genervt, schon die ganze Zeit.
    Felix, schläfst du?«
    Ich streichle über die Gänsehaut auf seinen Unterarmen. Er sagt kein Wort. Sein Atem ist nicht zu hören. Vielleicht hält er ihn gerade an.
    »Hast du überhaupt zugehört?«
    »Wo ist dein Vater?« fragt er plötzlich und erschreckt mich damit.
    »Weiß nicht. Vielleicht irgendwo hier.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich weiß nichts über ihn. Ich will nichts wissen.Meine Mutter hat ein paarmal versucht, von ihm zu erzählen, aber ich habe sie immer abgewürgt.«
    »Das verstehe ich nicht«, flüstert er in mein Ohr.
    »Kleiner Felix«, sage ich. »Wie sollst du es auch verstehen? Er wollte nicht, dass ich geboren werde. Das ist das Einzige, was meine Mutter über ihn erzählen konnte, bevor ich sie ein für alle Mal unterbrochen habe. Er wollte, dass sie eine Abtreibung machen ließ, und hat ihr dafür ziemlich viel Geld gegeben, damit sie es bei einem besseren Arzt privat machen kann und nicht in einer gewöhnlichen Klinik, wo die Frauen am Fließband ausgeschabt werden und wo es keine Narkose gibt. Und meine Mutter meinte noch, ein anständiger Mann ist der, der seiner Freundin eine anständige Abtreibung organisieren kann, das hat sie immer wieder gesagt, und auch nur halb im Scherz. Und dann war sie da und sollte sich ausziehen, und dann hat sie gedacht, so hat sie das jedenfalls erzählt: Aber ich will ein Mädchen haben, und das soll Sascha heißen, und das will ich jetzt auf keinen Fall umbringen, denn es lebt ja schon, egal, was dieser Mann sagt. Ich will es einfach. Und sie hat sich wieder angezogen, den Umschlag mit dem Geld wieder genommen und ist weggelaufen, und die Ärztin hat gedacht, dass sie jetzt völlig durchknallt. Meine Mutter ist den ganzen Weg nach Hause gerannt, weil sie dachte, dass die Ärztin ihr hinterherjagt. Sie wollte auch den Mann nie wieder sehen, weil sie Angst hatte, dass er vielleicht gewaltsam eine Abtreibung durchzieht, es gab ja schon einige ähnliche Fälle. Erst wollte sie ihm das Geld zurückgeben, aber dann hat sie davon Babysachen gekauft.
    Und deswegen will ich seinen Namen nicht wissen, und in meiner Geburtsurkunde steht er auch nicht. Ich kann auch niemanden mehr fragen, denn meine Mutter ist tot, und wer weiß, vielleicht hat dieser Mann letztes Jahr den Nobelpreis bekommen.
    Aber das ist mir egal. Was meinst du, Felix?«
    Er antwortet nicht. Es ist ganz leise, nur ein dünnes Pfeifen drängt sachte in mein Ohr, und ich wundere mich, woher es kommt. Am ehesten könnte es ein verzerrter Handy-Ton sein, denke ich.
    Und plötzlich schlafe ich ein.

Ich werde mitten in der Nacht geweckt.
    Ich verstehe nicht, was los ist. Felix liegt neben mir auf dem Rücken und versucht etwas zu sagen. Er fühlt sich komisch an und sieht merkwürdig aus. Ich halte seine Hand fest, sie ist kalt und zittert.
    »Was ist?« sage ich. »Was hast du?«
    Er öffnet den Mund und röchelt.
    Plötzlich werde ich nervös. »Was ist?« frage ich. »Jetzt sag doch mal was!«
    Seine Hände fallen auf die Brust und fahren

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