scherbenpark
T-Shirt und Boxershorts vor meinem Bett.
»Du?!« frage ich unfreundlich. »Ich kann doch nicht zweimal am Tag!«
»Ich komme nicht deswegen«, sagt Felix schnell. »Du hast doch gesagt, du hast kalte Füße. Volker dreht immer die Heizung runter, ihm ist ständig zu heiß.«
»Wann habe ich das gesagt?« frage ich und stelle fest, dass ich tatsächlich kalte Füße habe.
Felix setzt sich vorsichtig auf die Bettkante und sieht mich fragend an.
»Meinetwegen«, sage ich und rücke beiseite, sodass er sich neben mir ausstrecken kann.
Das Bett ist viel enger als seins. Unsere Nasen-spitzen berühren sich. Ich spüre seinen frischen Atem, der nach Zahnpasta und, merkwürdigerweise, gleichzeitig nach Schokolade riecht. Als hätte er gerade Pfefferminzpralinen gegessen. Seine Pupillen sind im Dunkeln ganz groß, sodass er fast schwarze Augen hat.
Ich werfe die Decke über ihn und drehe mich auf die andere Seite.
Er zappelt ein bisschen hinter meinem Rücken. Dann schmiegt er sich an mich. Mir wird sofort warm.
Seine Hände schließen sich um meinen Bauch. Ich umklammere sie und halte sie fest, damit sie nicht umherwandern.
»So kann es bleiben«, sage ich.
»So?«
»Ja.«
»Und so?«
»So nicht.«
Felix seufzt kitzlig in mein Ohr.
»Willst du schlafen?« fragt er.
»Ja.«
Er seufzt wieder.
Ich liege lange wach. Felix atmet gleichmäßig in mein Haar hinein. Ich spüre, wie es dabei auseinanderfliegt.
Ich denke an die beiden Cowboys und kann nicht einschlafen.
»Felix«, sage ich leise, »willst du eine Geschichte hören?«
Er ist sofort wieder wach. Ich höre ihn blinzeln.
»Weiß nicht«, sagt er. »Kommt drauf an.«
»Sie geht schlecht aus«, sage ich.
Felix schweigt und atmet.
»Es war mal eine Frau«, sage ich. »Eine schöne Frau, die auf ihre Art und Weise klug war. Aber auf andere Art schon wieder ganz dumm. Sie konnte sich nicht richtig schützen. Irgendwann wurde sie verhext unddavon ein bisschen blind. Sie heiratete einen Mann und bekam mit ihm zwei Kinder. Und sie hatte noch eine andere große Tochter von einem anderen Mann.«
Felix drückt meine Füße zwischen seinen zusammen. Das gefällt mir.
»Es war ein ziemlich mieser Mann«, sage ich. »Die Frau wollte sich immer wieder von ihm trennen, aber er hat sie immer so vollgejammert, dass sie es nicht über sich brachte, ihn zu verlassen. Sie dachte, er geht dann vollends kaputt. Wahrscheinlich wollte sie lieber selber kaputtgehen. Der Mann war ganz reizbar, eifersüchtig, er schrie oft rum, und er schlug auch mal zu.
Die ganze Familie zog eines Tages in ein anderes Königreich. Und da fiel der Fluch von der Frau ab. Sie schaffte es, das Arschloch vor die Tür zu setzen. Er war furchtbar wütend und am Boden zerstört und so weiter. Aber sie zog es trotzdem durch.
Er beruhigte sich ein bisschen. Er besuchte regelmäßig seine alte Familie, wie er das nannte, vor allem seine beiden leiblichen Kinder. Mit der großen Tochter, die nicht seine war, konnte er nie gut. Sie hat ihn immer gehasst, und das wusste er. Und er hatte auch Angst vor ihr. Er wusste, wenn er sie oder eins der Kinder oder die Frau in ihrer Gegenwart auch nur anrühren würde, würde sie zur Polizei gehen.
Eines Tages lernte die Frau einen Prinzen kennen. Er war verzaubert, und vor ihr hat keiner erkannt, dass er eigentlich ein Prinz ist. Und dann war die Frau einige Zeit sehr glücklich, und ihre Kinder auch. Denn der Prinz war wirklich ein richtiger. Wenn er da war, war alles gut.
Nicht glücklich war allerdings der Ex-Mann. Er merkte, wie gut es seiner früheren Familie ohne ihn ging. Und er merkte auch, dass seine Ex-Kinder den Prinzen auch liebten. Er hatte Angst, dass auch sie erkennen würden, was für ein Arschloch ihr Vater eigentlich ist. Er wollte das verhindern, er wollte etwas unternehmen, und da hatte er eine ganz tolle Idee.
Er kaufte Schokolade für die Kinder. Er besuchte seine frühere Familie, und keiner wusste, dass er an diesem Tag unter seiner Jacke eine Pistole hatte. Er gab den Kindern die Schokolade. Die Frau war auch zu Hause, und der Prinz ebenso. Und der Mann begann, die beiden zu beschimpfen, sodass sie ihn baten zu gehen.
Er ging auch. Aber nicht weit. Irgendwann drehte er wieder um. Er klingelte an der Tür. Die Frau ließ ihn wieder rein. Ihre große Tochter kam dazu.
›Was willst du denn noch?‹ fragte die Frau. ›Komm erst wieder, wenn du dich beruhigt hast.‹
Da hob er die Pistole und schoss. Einmal, zweimal, dreimal,
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