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scherbenpark

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Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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die Tastatur.
    »Nein« tippe ich. »Ich will keinen Freund.« Und füge, in Erinnerung an Maria, hinzu: »Und auch keine Freundin.«
    »Hattest du schon mal?« schreibt Felix.
    »Was?«
    »Einen Freund.«
    »Ich habe mal einen im Schullandheim geheiratet, als ich 14 war. Zum Spaß. In den letzten zwei Jahren war nichts mehr. «
    »Wegen deiner Mutter?«
    »Meine Mutter hat damit nichts zu tun.«
    »Ich würde so gern eine wie Paz kennenlernen. Am liebsten sie selber. «
    »Dann viel Erfolg.«
    »Wen würdest du gern kennenlernen?«
    »Niemanden« schreibe ich. Aber das ist nicht ganz aufrichtig. Ich will nicht schreiben, dass ich die Haare seines Vaters anfassen will.
    »Vielleicht jemand Älteres?« tippe ich und schiele zu Felix rüber. Er lässt die Unterlippe hängen.
    »Hast du eigentlich schon mal?« tippt er und lässt ein Dutzend Pünktchen folgen.
    »Was denn?«
    »Du weißt schon.«
    »Gevögelt?«
    Er wird knallrot, selbst die Ohren leuchten. Er tippt zwei Buchstaben. »Ja.«
    »Habe ich doch schon gesagt – nein.«
    »Mit 17 noch nicht?!«
    »Na und? Du doch auch nicht.«
    »Kommst du dir da nicht komisch vor?«
    »Ich komme mir grundsätzlich komisch vor.«
    »Aber hättest du nicht Lust, es mal zu probieren?«
    Ich muss beinah lachen. »Mit dir, oder was?« schreibe ich und setze einen Smiley dahinter.
    Felix denkt lange nach. Tippt schließlich zwei Wörter. »Warum nicht?«
    Ich pruste kurz, wage es aber nicht, ihn anzusehen. Ich spüre seine Verlegenheit fast schon körperlich.
    »Ich bin doch nicht deine Paz« schreibe ich. »Auch wenn ich braune Haare habe.«
    »Dar um geht es doch nicht« schreibt Felix. Ich sehe kurz zu ihm rüber. Er starrt auf den Bildschirm.
    »Du bist hübsch« tippt er plötzlich hinterher.
    »Was?« rufe ich laut aus. »Spinnst du?«
    Er sieht mich nicht an, verzieht nur das Gesicht. Ich verstumme.
    Reden verletzt die Spielregeln.
    Ich denke lange nach. Ich denke an Volker Trebur. Felix hat die Hälfte seiner Gene von ihm. Aber das sieht man nicht.
    »Hat dein Vater früher auch rote Haare gehabt?« schrei be ich.
    Felix liest das lange, als könnte er die Frage nicht verstehen.
    »Ja« schreibt er schließlich. »Wieso?«
    »Dann mal los.«
    »Was??« schreibt Felix. Seine Finger bleiben wartend in der Luft hängen. Ich ziehe die Tastatur zu mir.
    »Was du wolltest. Aber stöhn nicht so rum.«
    »Wie meinst du das?« Er glüht bis unter den Haaransatz. Ich rege mich nicht.
    »Ich werd's versuchen« tippt Felix, vertippt sich, verbessert hastig. »Versuchen, nicht so rumzustöhnen. Weiß nicht, ob es klappt.«
    Da nach sitzen wir bestimmt fünf Minuten da, ohne einander anzusehen.
    Felix öffnet den Mund als Erster.
    »Ich glaube, du traust dich nicht«, sagt er, die Finger um die Tischkante gekrallt.
    »Und du? Traust du dich?«
    »Natürlich.«
    »Okay. Dann zieh dich aus.«
    Er dreht den Kopflangsam zu mir. Noch greller kann er nicht mehr leuchten. Man kann bestimmt Streichhölzer an seiner Stirn anzünden. »Du zuerst«, sagt er.
    »Von wegen. War deine Idee.«
    Er sieht mir angespannt ins Gesicht. Dann streift er schnell sein T-Shirt ab und wirft es auf den Boden.
    »Jetzt bist du dran«, sagt er und schlingt die Arme um sich, als würde er frieren. Auf seiner Brust zieht sich ein langer weißer Strich, der knapp unterhalb des Brustbeins aufhört. Seine Arme reichen nicht aus, um den zu verbergen.
    »Was ist das?« frage ich und deute mit dem Finger. »Ist das eine Narbe?«
    »Das ist nichts. Du bist dran. Ich habe mich doch auch schon halb ausgezogen.«
    »Das kannst du doch nicht vergleichen«, sage ich, um Zeit zu gewinnen.
    »Wieso? Überhaupt finde ich diese ganze Aufregung um nackte Körper völlig übertrieben. Jede Frau sieht doch wie eine andere aus. Und jeder Mann wie jeder andere Mann.«
    Ich hole Atem und werfe meinen Pull over auf sein T-Shirt.
    »Das Ding auch«, sagt er und deutet mit dem Kinn.
    »Oh, jene Sachen, nicht einmal deren Namen wir auszusprechen wagen«, sage ich.
    »Was?«
    »Nichts. Das ist Goethe«, lüge ich und werfe ihm den BH ins Gesicht. Er grinst und fängt ihn auf.
    »Was glotzt du mich so an?« frage ich fröstelnd und verkneife mir die Bewegung, die er vorgemacht hat.
    »Ich glaube«, sagt Felix langsam, »es sind doch nicht alle gleich.«
    Ich strecke die Arme aus. Er kniet sich vor mich, so dass ich ihm die Hände auf die Schultern legen kann. Seine Finger berühren vorsichtig meine Rippen. Sein Gesicht ist viel zu nah, und ich

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