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scherbenpark

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Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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ins Nachbardorf, wo es ein kleines kommunales Kino gibt. Felix und ich sitzen auf dem Rücksitz, weil wir uns nicht einigen konnten, wer vorne neben Volker Platz nehmen soll. Ich sehe abwechselnd aus dem Fenster und auf Volkers grauen Hinterkopf. Felix betrachtet mich. Ich sehe nicht in seine Richtung, weil er dann sofort verlegen wegguckt. So verlegen, als wäre heute Vormittag nichts passiert. Als hätten wir uns gerade eben kennengelernt.
    Ich finde das lustig.
    Vor dem Kino sitzen wir an einem dunklen Holztisch in der kleinen Pizzeria. Volker bestellt Wein. »Für mich auch«, sagt Felix, und ich will dann auch. Wir tauschen die Zutaten auf der Pizza – Felix kriegt von mir den Käse, ich von ihm die Pilze und die Peperoni. Wir lachen viel.
    »Gib mir doch mal das da«, sagt Felix zu Volker und zielt mit der Gabel.
    »Finger weg von meinem Teller«, sagt Volker. »Ich will auch was nur für mich allein haben.« Er betrachtet uns mit einem wohlwollenden, etwas wehmütigen Blick. Mir wird plötzlich traurig zumute. Felix erzählt einen Witz, aber ich vergesse, darüber zu lachen.
    »Was läuft überhaupt?« frage ich.
    »Im Kino? ›Brokeback Mountain‹. Über die schwulen Cowboys. Jetzt haben sie hier endlich auch eine Kopiegekriegt«, sagt Volker. »Wo jeder andere den Film schon zweimal gesehen hat.«
    »Kino lohnt sich nicht«, sagt Felix. »Überhaupt nicht mehr. Kino stirbt bald aus. Es gibt den Film sowieso bald auf DVD.«
    »Ich will ihn aber auf großer Leinwand sehen«, sagt Volker. »Du hast was gegen den Film, weil da keine Mädchen vorkommen.«
    »Gar keine?« fragt Felix entsetzt.
    Im Kino sitze ich zwischen den beiden.
    Es ist ein altmodischer, dunkelroter, plüschig-samtiger Kinosaal. Volker hat einen Rieseneimer Popcorn auf meinen Schoß gestellt. Die Reihen sind voll. Ich berühre Volker kurz mit dem Ellbogen, und er zieht seinen Arm nicht zurück. Ich bekomme einen Schweißausbruch.
    Felix greift ständig in den Popcorn-Eimer.
    »Nimm ihn doch«, flüstere ich.
    »Will nicht«, flüstert er zurück. Dann vergisst er, seine Hand wegzunehmen, sodass sie auf meine fällt und dort bleibt. Seine Hand ist heiß, feucht und voller Popcorn-Krümel.
    Ich befreie meine Finger vorsichtig.
    Felix zieht die Hand zurück.
    Volker hat seinen Ellbogen inzwischen weggerückt. Seine Augen sind auf die Leinwand gerichtet. Ich sehe auf sein Profil, ziemlich lange. Entweder er will es nicht bemerken, oder er merkt es in der Tat einfach nicht.
    Genervt schüttle ich Felix' Hand von meinem Knie ab, zusammen mit dem Popcorn, das inzwischen auf meiner Hose klebt.
    Nach einer halben Stunde vergesse ich alles, weil der Film plötzlich interessant wird.
    Kurz vor Schluss beginnt eine Frau in der Reihe hinter uns zu schluchzen – so laut, dass sogar ich herausgerissen werde und mich umdrehe. Dann tausche ich Blicke mit Volker. Er zieht die Mundwinkel herunter. Seine Lippen formen ein Wort. »Traurig«, rate ich und zucke mit den Schultern. Er deutet mit den Augen auf den Sitz neben mir.
    Ich drehe mich um und sehe Felix an. Sein Gesicht ist völlig nass.
    Volkers Lippen bewegen sich wieder. »Tröste ihn«, höre ich.
    »Will nicht«, flüstere ich.
    Felix guckt misstrauisch zu uns rüber und schirmt sich mit der Hand ab.
    Später wartet Volker geduldig, bis wir den gesamten Abspann gelesen haben. Wir laufen schweigend zum Auto zurück. Felix hat rote Augen. Ich weiß, dass ihm seine Tränen peinlich sind.
    »Wie fandet ihr's?« fragt Volker und bekommt lange keine Antwort.
    »Gut«, sage ich schließlich, denn ich will nicht unhöflich sein. Ich habe bloß keine Lust, sofort darüber zu reden. »Ganz okay.«
    »Was für eine angenehme Gesellschaft«, murmelt Volker. »Was für eine spritzige Unterhaltung. Nächstes Mal verabrede ich mich mit jemandem aus dem Altersheim. Die können gar nicht schlechter drauf sein als ihr.«
    Wir schweigen die ganze Fahrt.
    Ich lege mich gern ins weiße Bett im Gästezimmer. Es riecht nicht mehr so fremd. Mir fällt ein, dass ich noch gar nicht zu Hause angerufen habe. Die haben sich auch nicht gemeldet. Ich überlege, ob ich Maria eine Voice-SMS schicken soll. Das heißt, ich würde einen Text eintippen, und eine Stimme liest ihn ihr am Telefon vor. Am besten etwas auf Russisch – das klingt dann besonders komisch, wenn das Sprachprogramm es umzusetzen versucht.
    Ich denke nach, was ich Witziges schreiben könnte. Da geht meine Tür leise und langsam auf, und plötzlich steht Felix in

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