Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
scherbenpark

scherbenpark

Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
Vom Netzwerk:
Und er liegt gerade tot da. Und sie schreit: ›Gebt ihm die Brille zurück!‹ Und an dieser Stelle muss ich immer Rotz und Wasser heulen.«
    »Oh«, sagt er und schaut mich kurz von der Seite an. »War das schon immer so, oder erst, seit . . . « Er verstummt.
    »Das war noch vor dem Tod meiner Mutter«, sage ich. »Der Film ist ja uralt.«
    »Oh«, sagt Felix wieder und knistert mit der Chipstüte.
    Danach reden wir nicht mehr, bis der Abspann gelaufen ist. »Guckst du auch immer hin?« fragt Felix und steckt die DVD zurück in die Hülle.
    »Wohin?«
    »Auf den Abspann. Bis alle aufgezählt sind.«
    »Ja«, sage ich überrascht. »Schon immer.«
    »Ich auch«, sagt Felix. »Auch im Kino. Es nervt mich, wenn die Leute sofort aufspringen und wegrennen, sobald das letzte Wort gesprochen ist. Ich will auch lesen, welche Musik und überhaupt. Da haben so viele Leute mitgearbeitet, man muss sie doch würdigen, indem man wenigstens ihre Namen liest.«
    »Ich war lange nicht mehr im Kino«, sage ich. »Seit Jahren nicht.«
    »Ist dir an dem Film etwas aufgefallen?« fragt Felix und wird wieder ein bisschen rot.
    »Was aufgefallen?«
    »Das Mädchen im Waisenheim, das sich in Homer verliebt.«
    »Was ist mit ihr?«
    »Sie sieht ein bisschen aus wie du.«
    »Was?« rufe ich. »Diese komische Tussi?«
    »Sie ist keine komische Tussi«, sagt Felix empört. »Sie ist sehr hübsch. Sie hat nur eine etwas komische Rolle. Aber die macht sie supergut.«
    Ich ziehe die Augenbrauen hoch.
    »Willst du sehen?« fragt Felix. Er springt von seinem Bett auf und schiebt mich vor den Computer. Er schlägt auf eine Taste. Der Bildschirm wird sofort hell, der Computer war die ganze Zeit eingeschaltet. Ich stelle mich neben Felix und sehe zu, wie er Fenster anklickt und wieder zumacht.
    »Was genau?« beginne ich, aber dann sehe ich es – Paz-de-la-Huerta-Website.
    »Was ist das?« frage ich. »Was ist Paz de la Huerta?«
    »Das ist dieses Mädchen. Diese Frau. Sie ist schon 22.«
    »Und was ist da der Vorname?«
    »Paz.«
    »Und warum zeigst du mir das?«
    »Damit du das siehst. Dass du ihr ähnlich siehst.« Und er klickt eine Fotogalerie an. Ich gehe ein bisschen näher dran. Felix schiebt mir den Drehstuhl zu und kniet sich neben mich auf den Boden.
    »Siehst du?« fragt er. »Habe ich recht?«
    Ich klicke mich durch die Galerie. Sie besteht aus Szenenfotos des Films, den wir gerade gesehen haben. Das dunkelhaarige Mädchen aus unterschiedlichen Perspektiven. 52 Bilder.
    »Na ja«, sage ich. »Ganz so übel ist sie tatsächlich nicht. Vor allem, wenn sie lächelt.«
    »Sage ich doch«, murmelt Felix. »Wie du.«
    »Was?«
    »Nichts.«
    »Unglaublich«, sage ich. »Wer macht sich so viel Mühe für so eine Website für eine Schauspielerin, die nur so eine winzige Rolle hat? Da muss man ziemlich verrückt sein und auch noch in die verknallt. Und nichts Besseres zu tun haben.«
    Felix beißt sich auf die Unterlippe.
    »Ich mag sie halt«, sagt er.
    »Du?«
    »Ja, ich. Das ist meine Website.«
    Dazu fällt mir nichts ein.
    »Es gibt noch einen Kerl aus Hongkong«, sagt Felix.
    »Er hat ein bisschen geholfen. Aber ihm ist es nicht so ernst wie mir.«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Was mir dazu einfällt, darf auf keinen Fall raus. Dann wäre Felix sofort beleidigt.
    »Du verbringst viel Zeit am Computer«, sage ich schließlich.
    »Ja«, stimmt Felix ebenso hölzern zu. »Sehr viel. Eigentlich meine ganze Zeit. Oder ich gucke mir DVDs an.«
    »Warum gehst du nicht mal raus?« frage ich. »Es gibt draußen bestimmt auch ein paar hübsche Mädels für dich. Noch besser als deine Paz.«
    Felix antwortet nicht, sondern zieht die Tastatur zu sich heran.
    »Geht mich ja nichts an«, sage ich. »Aber das ist doch ein bisschen einsam, oder?«
    »Na und?«
    »Ich finde es nicht gut, wenn jemand sein Leben verplempert«, sage ich mit einer Schärfe, die mich selbst überrascht. Aber Felix hört nicht zu, er tippt.
    Und dann sehe ich, wie in einem Fenster auf dem Bildschirm ein Text entsteht.
    »Und du? Lebst du dein Leben?« lese ich.
    Er schiebt mir die Tastatur zu. Ich denke kurz nach und tippe: »Ich bin etwas völlig anderes.« Und noch mal groß: »VÖLLIG ANDERES. Komm nicht auf die Idee, dich mit mir zu vergleichen.«
    »Das tu ich auch nicht« schreibt Felix eilig. Ich strecke die Hand aus, aber er hält die Tastatur zurück. Auf dem Bildschirm kommt eine neue Zeile hinzu.
    »Hast du eigentlich einen Freund?« lese ich. Dann bekomme ich

Weitere Kostenlose Bücher