scherbenpark
ihn wieder.
Wir rasen durch die Unterführung, der Wind pfeift in den Ohren, ich drehe mich zu dem Typen um, ich schaffe es einfach nicht, ihn wenigstens in meinen Gedanken mit Volker anzusprechen. Ich sehe, dass er lächelt, die Arme ausbreitet, das T-Shirt flattert gespenstisch.
»Was für ein irrer Abend!« ruft er mir zu. »Erst du und dann das!«
»Es wird noch besser«, verspreche ich. »Achtung, Ast.«
Er fliegt darüber und tut sofort schwer verletzt, was ich ihm nicht abnehme.
»Trifft sich gut«, beruhige ich ihn und halte ihm meine Hand hin, um ihn hochzuziehen. »Wir müssen jetzt hier abbiegen, da kann man nicht mehr so gut fahren.«
»In den Wald?« fragt er entsetzt. »Hier? Hast du sie nicht mehr alle?«
»Nicht ganz in den Wald. Dahinten ist eine Lichtung. Da wachsen riesige Eichen.«
Er läuft hinter mir her, was soll er auch sonst tun, und ich weiß, er wird nie wieder einer fremden Frau irgendwohin folgen, wo er sich nicht auskennt.
»Der Wald weckt Urängste, stimmt's?« rufe ich ihm zu, und er grunzt irgendwas.
Dann stöhnt er noch mal kurz auf, weil er sie gesehen hat.
Es sind weniger, als ich dachte, fünf Jungs, zwei Mädchen, sie sitzen auf den Lehnen der Holzbänke und auf dem umgekippten Holztisch, und in der Mitte, in einem Erdloch, brennt ein kleines hübsches Feuer. Es sind Peter und seine zwei Adjutanten und Anna und drei weitere, die ich noch nie gesehen habe. Aber ich sehe, wo sie hingehören, ich erkenne meine Landsleute immer sofort. Manchmal an den Gesichtszügen, manchmal an der Kleidung, und selbst wenn der Rest stimmt, dann fallen sie durch ihren verlorenen Blick auf.
Ich winke kurz, ziehe meine Inliner aus und laufe barfuß, die Schuhe sind sehr schwer in meiner Hand, und ich gebe sie Peter, der mir entgegenkommt und sagt: »Spinnst du? Barfuß? Hier ist alles voller Scherben.«
Dabei sieht er nicht mich an, sondern über meinen Kopf hinweg auf meinen Begleiter, der auf seinen Skates hinterherhinkt.
»Das ist Volker«, sage ich in die Runde. Auf Deutsch. »Ein sympathischer NPD-Wähler und sogar Aktivist.« Sie regen sich nicht, sie wissen nicht, was NPD bedeutet. »Und das da sind meine . . . ähm . . . Freunde«, sage ich zu dem Typen, und jetzt reagieren sie – mit verwunderten Blicken untereinander.
»Volker ist ein kleiner Nazi«, sage ich, wieder auf Deutsch. »Ich habe volles Verständnis.«
Er beginnt zu zittern.
»Was soll das?« fragt mich Peter auf Russisch.
»Weiß auch nicht«, sage ich. »Eine Laune. Was haben wir hier, Gentlemen?«
Die Seitenkante des umgekippten Tischs ist vollgestellt. Spraydosen, davon einige ausgebeult, Plastiktüten, halb volle Flaschen, Becher, Feuerzeuge, Messer, Schachteln, es sieht wie ein kleines dreckiges Labor aus.
Der weitere Ablauf braucht keine Worte. Peter deutet mit dem Zeigefinger, hebt die Augenbraue an, ich nicke. Plötzlich fühle ich mich wie zu Hause.
Ich bekomme ein dünnes Blättchen in die Hände, jemand streut dunkle Krümel darauf, dazu ein Häufchen aus der Tabaktüte.
»Geht's nicht ohne?« frage ich. »Ich vertrage kein Nikotin.«
»Ich habe eine Wasserpfeife«, sagt jemand. »Aber zu Hause. Und ich habe keine Ahnung, wie die geht.«
»Dann muss es so gehen«, sage ich seufzend und drehe das Papier zusammen. Das Ergebnis ist schief und hässlich und fällt auseinander. Im Basteln war ich schon immer schlecht.
Peter nimmt es mir aus den Händen, er bemüht sich aufrichtig, nicht zu grinsen, öffnet alles wieder, verschiebt und ordnet, leckt am Rand, macht eine formschöne Hülse, verdreht das Ende zu einem Ringelschwanz und produziert sich dabei gewaltig.
Ich nicke anerkennend, als er mir sein Kunstwerkmit den Worten »Ladies first« reicht und mit dem Feuerzeug knipst, die Stichflamme greift seine Hände aus der Dunkelheit heraus. Mein Gesicht spiegelt sich verzerrt in seinem Ring, der so riesig ist, dass er damit wahrscheinlich Nägel einschlagen kann. Oder Köpfe.
Ich ziehe mit aller Kraft, sauge alles, was ich kriegen kann, in mich hin ein. Die Angst vor dem Tabak ist weg, ich lege im Moment keinen Wert auf körperliches Wohlbefinden.
Ich muss nicht husten, das ist schon mal gut. Aber ich muss auch sonst gar nichts. Ich sitze da und warte, alle starren mich an, ich starre zurück, nichts passiert.
»Ich spüre nichts«, sage ich. »So eine Scheiße. Es zieht nicht. Vielleicht ist das Schrott?«
»Das habe ich von der Klassenfahrt aus Amsterdam«, sagt einer neben Peter. »Wir
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