Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
scherbenpark

scherbenpark

Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
Vom Netzwerk:
einfühlsam und streiche mir das Haar hinter die Ohren, bevor er sich noch mehr davon zwischen seine Finger schnappt. »Die Chinesen, die Türken und anderes asoziales Pack?«
    »Pfft«, sagt er. »Wenn wir an die Macht kommen, können die was erleben.«
    »Wer sind wir?« frage ich müde. Eigentlich ahne ich es schon. »Die Republikaner? Oder wer finanziert deine Burschenschaft?«
    »Die Reps? Ha.«
    »Nun sag schon.«
    »Rate mal.«
    »Du bist bei der NPD.«
    »Hey, du bist echt gut.« Wahrscheinlich findet er, dass ein Kuss von ihm Belohnung genug ist. Danach spricht er plötzlich viel und aufgeregt und stottert wieder, es geht um heuchlerische Politiker und Betrug und Volk und Ehre, die verlorene. Ich schalte ab.
    Ich möchte auf irgendwas hinaus, was mehr mit mir zu tun hat.
    »Die Russen sind schlimmer als die Chinesen, oder?« frage ich den rot leuchtenden Himmel über uns, als mein Student kurz innehält.
    »Die Russen? Pah. Die waren mal schlimm. Jetzt kann man die vergessen. Die saufen sich zu Tode. Die sind degeneriert.«
    »Tja, was willst du«, sage ich. »Schlechtes Essen, schlechtes Wetter, soziale Ungerechtigkeit, nach deralten Diktatur neue Diktatur, Willkür und Gewalt, wie soll man da die Weltherrschaft für sich beanspruchen?«
    »Da mache ich mir auch gar keine Sorgen«, sagt er. »Es dauert nicht lange, da haben die sich gegenseitig abgestochen. Wer überlebt, sitzt dann im Knast. Und wenn wir an die Macht kommen, machen wir die Grenzen dicht.«
    »Super Idee. Bin voll dafür«, sage ich. »Du hast nicht zufällig was eingenommen? Du bist bei klarem Verstand, ja?«
    »Logo«, sagt er. »Was meinst du mit ›eingenommen‹?«
    »Etwas Bewusstseinserweiterndes, Angstlösendes, Stimulierendes?«
    »Was meinst du?« fragt er irritiert. »Drogen? Ich bin doch nicht bescheuert.«
    »Und Rock 'n' Roll?«
    »Was?«
    »Ist das was für dich?«
    »Hä?«
    »Ich meine, wo wir gerade rausgefunden haben, dass du schon mit Sex & Drugs nichts am Hut hast?«
    Er richtet sich auf. Ich bleibe liegen.
    »Du redest so komisch«, sagt er dann.
    »Wieso, habe ich einen Akzent?«
    »Was? Nein, natürlich nicht. Ich meine das, was du sagst. Ist ziemlich schräg. Wählst du die Grünen, oder was?« Er spricht das sehr besorgt aus. Wahrscheinlich würde er es leichter akzeptieren, wenn ich ein verkleideter Mann wäre.
    Ich will ihn nicht darauf aufmerksam machen, dassich noch gar nicht wähle. Und außerdem bin ich nicht zum Diskutieren hier.
    »Haben wir uns jetzt genug kennengelernt?« frage ich. Und antworte mir selber, als er mich gegen die kalte Erde drückt: »Offenbar ja.«
    Die Konversation hat ihn sehr aufgemuntert. Jetzt ist er richtig leidenschaftlich. Ich schaffe es kaum, den Kopf zur Seite zu drehen, denn ich will dabei nicht auch noch ständig feucht auf den Mund geküsst werden, also verbeißt er sich in meine Schulter. Das kitzelt unerträglich.
    Das Blöde ist, dass es mir dabei nicht wirklich besser geht. Ich schließe die Augen und öffne sie wieder, es ist alles ziemlich unangenehm und auch langweilig, und das Gefühl dabei ist, als würde es mich nicht wirklich betreffen. Das ist nicht das, was ich erreichen wollte. Ich sehe durch die gesenkten Wimpern, wie er das Kondom in die Büsche wirft, sich hinkniet, den Reißverschluss hochzieht. Ich finde es nicht einmal lustig, dass er mich umarmt, die feuchte Stirn gegen meine Schläfe drückt und mir rührselig zuflüstert, es sei schön gewesen, sehr sogar, und ich kurz davor bin, mit »Gern geschehen« zu antworten.
    Es fühlt sich schlimmer an als vorher.
    Ich ziehe meine Inliner wieder an, das ist angenehm, weil meine Füße bereits gefroren haben. Er stöhnt, als er sich in seine quält, sie gehen nicht zu, und ich helfe ihm im Dunkeln, die Verschlüsse zu finden.
    »Fahren wir noch eine Runde?« frage ich.
    »Wohin?« Er gähnt, man sieht ihm an, dass er jetzt am liebsten ins Bett möchte, und zwar allein.
    Aber ich bin noch nicht fertig.
    Ich fahre vor, und er rollt hinterher, manchmal schreit er im Dunkeln auf, und ich komme dann zurück und gebe ihm die Hand.
    Beim Fahren geht es mir ein bisschen besser.
    »Wo willst du hin?« fragt er ängstlich. »Ich kenne mich hier gar nicht aus.«
    »Ist doch egal«, antworte ich. »Der Weg ist doch gut, alles Asphalt, oder?«
    »Schon«, antwortet er zweifelnd. »Ich hoffe bloß, dass wir uns nicht ins Russengetto verfahren, das ist doch die Richtung, kann es sein?«
    »Keine Angst«, sage ich und stütze

Weitere Kostenlose Bücher