scherbenpark
weiter vorn auf dem Bürgersteig zum Stehen, ich sehe gezielt in die andere Richtung.
Dann zerrt es an mir, dass ich falle und mit meinen Knien meterweise über den Asphalt schleife, und dann spüre ich auch endlich was.
An den Knien erst einmal nichts. Bloß mein Kopf wackelt gewaltig hin und her, weil ich durchgeschüttelt werde, ganz heftig, an den Schultern gepackt. Ich bin plötzlich auf dem Bürgersteig, sitze mit ausgestreckten Beinen, vor mir steht ein kleiner dunkler Mann in einer Lederjacke, und er ist sehr wütend. Er beschimpft mich in einer Sprache mit vielen Zischlauten, die ich nicht verstehe.
Ich sehe rüber zu dem Taxi, das quer auf dem Bürgersteig steht, die Vordertür aufgerissen, niemand am Steuer.
»Ist das Ihres?« frage ich. »Haben Sie mich so geschleift, Sie alter Drecksack? Wollten Sie mich häuten?«
Und er holt aus, und eine Ohrfeige schallt durch die Nacht.
»Kleines Mistestück«, sagt er.
»Miststück«, korrigiere ich ihn automatisch und halte mir die Hand ans Gesicht. Dann sehe ich auf meine Beine hinunter. Die Haut ist aufgerissen, von den Knien bis zu den Füßen ist alles streifenweise roter Matsch, und das finde ich so ungerecht, dass ich darüber den einen und den anderen Volker vergesse, den wirkungslosen Joint, den Matrosentee und sogar Vadim.
Ich weine ziemlich laut, nicht, weil es irre wehtut, beziehungsweise nicht nur. Sondern weil keiner da ist, um mich zu trösten.
»Marina!« rufe ich. »Nie bist du da, wenn man dich braucht!«
Der Taxifahrer läuft zum Auto, steigt aber nicht ein, sondern wühlt im Handschuhfach.
Er kommt zurück, beugt sich über mich, leise und unverständlich fluchend, in der Hand die gleiche Wodkaflasche, die ich bei Peter gesehen habe. Er schraubt sie auf und kippt den Inhalt über meine Beine, dass es zischt, und meine Schreie durchbrechen die geisterhafte Stille auf der Straße.
»Autsch! Sind Sie verrückt geworden?« brülle ich. »Was soll der Scheiß?«
»Desinfektion«, sagt er und zieht mich hoch. »Sonst Entzündung.«
Ich kann aber auf einmal kein Gleichgewicht mehr halten.
Ich setze mich wieder hin und befreie zum letzten Mal die geplagten Füße von den Schuhen.
»Wo du wohnst?« fragt der Taxifahrer hasserfüllt.
»Hier um die Ecke«, sage ich. »Vielen Dank.«
Ich nehme jeden Schuh unter einen Arm und wandere barfuß, etwas hinkend, zum Solitär, der Asphalt ist noch ganz warm, die Beine fühlen sich an, als hätte jemand ein glühendes Bügeleisen darauf abgestellt. Ich stehe schon vor der Wohnungstür, als ich durch das geöffnete Flurfenster in der Ferne eine Sirene höre.
Wird auch Zeit, denke ich.
Ich falle ins Bett, ohne mich auszuziehen. Ich denke, ich werde niemals einschlafen können, mit diesen aufgeschürften Beinen und diesen Bildern im Kopf, die Bettdecke darf die Wunden nicht berühren, ich darf mich nicht auf den Bauch legen, ich darf nicht darüber nachdenken, was heute war. Ich darf mich nicht hin und her wälzen, ich kann aber auch nicht ruhig liegen, ich werde gleich den Verstand verlieren, auf der Stelle.
Und dann schluckt mich Plötzlich das große gnädige schwarze Nichts, und ich träume nicht einmal.
Als ich aufwache, ist es Mittag.
Ich muss lange darüber nachdenken, warum ich mich gerade kaum bewegen kann. Dann fällt es mir wieder ein. Ich setze mich hin und betrachte meineBeine. Sie sind stellenweise ziemlich geschwollen und von einem üblen rohen Rot.
Die Haut wird schon nachwachsen, denke ich. Was bleibt ihr auch übrig.
Ich versuche aufzustehen. Es klappt. Gehen klappt auch, aber schlechter.
Wieder hinsetzen ist schwieriger. Es fühlt sich an, als würde die Haut noch mal aufreißen.
O Mann, denke ich, ich kann doch nicht den ganzen Tag so rumstehen.
Ich mache den Fehler, nur in einem langen T-Shirt aus meinem Zimmer zu gehen und genau vor der Tür Maria zu begegnen, die wahrscheinlich dort gewartet hat. Vielleicht wollte sie irgendwas erzählen oder fragen.
Aber das vergisst sie, sobald sie mich sieht.
Und ich dachte, es fällt gar nicht so auf.
Ich wehre sie ab mit ihrem Entsetzen, ihrem Mitleid, ihren Klagen, ihrer Jodtinktur, ihren flehentlichen Bitten, sofort zum Arzt zu gehen, ihrem Betteln, nie wieder ohne Knieschützer zu fahren, als hätten die irgendetwas gebracht. Am besten überhaupt nie wieder zu fahren und es auch Anton zu verbieten. Sie hat schon die ganze Zeit gewusst, dass so was mal kommen würde.
»Ist doch alles nicht so schlimm«, lüge ich.
»Wie
Weitere Kostenlose Bücher