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scherbenpark

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Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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sein, dass du schüchtern bist?«
    »Ich?« Er öffnet den Mund und vergisst, ihn zu schließen. »Wieso bin ich schüchtern?«
    »Ich will nicht den ganzen Abend hier im Gras liegen, weißt du.«
    »Wo dann?« fragt er.
    Ich sehe ihn ziemlich lange an, weil wir uns anscheinend so gar nicht verstehen.
    Plötzlich wird er unterhalb seines Sonnenbrands rot und beginnt wieder zu stottern.
    »Ddddas geht mir ein bisschen schnell«, sagt er. »Ich kann nicht einfach so gleich.«
    »Nicht? Wie viel Zeit brauchst du?«
    »O Mann. So jemanden wie dich habe ich ja noch nie getroffen.«
    »Gefalle ich dir nicht?«
    »Doch, total. Du hast so eine tolle Figur und so schöne Haut, viel dunkler als meine.«
    »Ja. Deswegen kriege ich niemals einen Sonnenbrand. Nimm doch endlich den verdammten Grashalm von meiner Nase weg. Bitte.«
    Er wirft ihn ins Gras, denkt nach und beugt sich rüber und küsst mich. Ich schließe die Augen, um ihn nicht sehen zu müssen, und stelle mir vor, dass gerade jemand anders da ist. Eigentlich hat Felix recht, denke ich, es sind ja alle Männer gleich, wenn ich die ganze Zeit die Augen geschlossen halte, dann ist dieser Typ auch nicht da.
    Dann ist eben nur der da, den ich mir vorstelle. Ich baue Volkers Gesicht in meiner Erinnerung zusammen, wie ein Mosaik aus unzähligen Bruchstücken, aber es gleitet mir wieder weg. Ich weiß nicht mehr, wie er aussieht. Ich kann mir sein Gesicht nicht mehr vorstellen. Je verzweifelter ich es versuche, desto mehr Teile gehen verloren.
    Um mich abzulenken, denke ich darüber nach, wann wohl der richtige Moment sein könnte, den Studenten hier auf die Gummis in meiner Tasche aufmerksam zu machen.
    In diesem Augenblick ist mein Mund wieder frei.
    »Hast du dich zu sehr angestrengt?« frage ich. Dann ärgere ich mich gleich über mich selber. Das werde ich ihn hinterher auch noch fragen können. Wenn ich es schaffe, ihn vorzeitig zu vergraulen, werde ich mir so richtig verlassen und hässlich vorkommen.
    »Ich finde es bloß komisch, dass wir uns so gar nicht kennen«, sagt dieser andere, falsche, blonde Volker, und es klingt recht gequält. »Es ist irgendwie nicht normal. Wollen wir nicht erst miteinander reden?«
    Ich erschrecke ein bisschen. »Wir haben doch schon geredet«, sage ich. »Aber wenn du magst, können wir noch mehr reden. Worüber redest du denn gern?«
    »Das ist dir bestimmt zu langweilig«, sagt er ein bisschen kokett.
    Garantiert, denke ich und sage laut: »Kann ich mir gar nicht vorstellen. Was sind so deine Hobbys?«
    »Autos«, sagt er leise, das klingt nach erster, schüchterner, romantischer Verliebtheit.
    »Autos«, wiederhole ich. »Toll. Welches Auto willst du mal haben, wenn du groß und reich bist?«
    »Einen Porsche Carrera«, sagt er, ohne nachzudenken.
    Es gibt nichts Langweiligeres als Autos, denke ich und werfe fachmännisch ein: »Ich kenne jemanden, der will einen weißen Mercedes.«
    »Welches Modell?«
    »Keine Ahnung.«
    »Mercedes ist auch gut«, sagt er anerkennend. »Mercedes ginge auch. Ich werde niemals ein ausländisches Auto fahren.«
    Ich richte mich auf. »Niemals? Kein Citroën, kein Volvo, kein Saab, kein Mazda?«
    »Alles Schrott«, sagt er und verzieht angewidert das Gesicht. »Niemals.«
    »Oh«, sage ich und lege mich zurück ins Gras. Der Himmel ist jetzt grau, von rot schimmernden Wolken durchstreift, und die Erde etwas feucht. »Du bist ein Nationalist.«
    »Nenn es wie du willst«, sagt er und beginnt, eine Haarsträhne von mir auf seinen Zeigefinger aufzuwickeln. »Ich hasse ausländischen Schrott.«
    »Selbst Miele produziert seine Staubsauger inzwischen in Asien«, sage ich.
    »Miele? Nie im Leben!«
    »Doch. Vielleicht nicht die ganzen Staubsauger, sondern irgendwelche Ersatzteile. Irgendwas. Und zwar in China. Habe ich mal gelesen.«
    »Scheiße.«
    »Ich will ja nur sagen, es gibt doch inzwischen nur noch ausländischen Schrott.«
    »Ja, leider«, sagt er betrübt. »Wir ersticken darin.«
    »Wer – wir?«
    »Wir Deutschen natürlich. Du und ich. Wir verlieren alles – unsere Wirtschaft, unsere Sprache, unsere Gene.«
    »Unsere Musik«, sage ich ihm vor. »Die Kultur überhaupt.«
    »Genau. In zwanzig Jahren gibt es uns nicht mehr.«
    »Furchtbar«, sage ich. »Wen gibt es dann?«
    »Die Chinesen und die Türken«, sagt er und greift sich eine weitere Haarsträhne. Er liegt ziemlich nahbei mir und spricht recht leise, manchmal sind die Grillen nebenan lauter.
    »Du magst sie nicht, oder?« frage ich

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