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scherbenpark

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Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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nicht nur gegen alle Regeln, sondern auch mir gegen den Strich geht.
    »Sehr gut«, lobt mich Oleg. »Stell dir vor, du bist ein Vogel. Heb ab und flieg einmal darüber. Starr nicht nur eine Figur an, sondern das große Ganze. Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus . . .«
    »Halt doch mal den Mund. Schach.«
    »Soso, riskant, aber mutig, Sie wollen angreifen, und wir schlagen zurück, na, wie finden Sie das?«
    Ich kaue an meinen Fingernägeln und schaffe es nicht, das große Ganze zu sehen.
    »So nicht, Sascha. Nimm den Zug zurück.«
    »Nicht schon wieder. Das macht doch keinen Spaß so. Ich will selber spielen.«
    »Lass dir doch einmal helfen. Dir fehlt nur eine Kleinigkeit, um richtig gut zu werden. Du bist zu verkrampft.«
    »Was für eine dämliche Idee, gegen dich spielen zuwollen. Wenn ich dein Schachcomputer wäre, wäre ich längst explodiert«, sage ich und nehme den Zug zurück und denke geschlagene sechs Minuten nach, in denen Oleg eine nervige Melodie pfeift und sich wahrscheinlich unglaublich zusammenreißt, um die Liebesgeschichte mit dem Außerirdischen nicht sofort und wortgetreu nachzuerzählen.
    »Siehst du«, lobt er mich. »Manchmal klappt es erst beim zweiten Versuch.«
    Dass er aufhört zu pfeifen und eine Minute lang nachdenkt, schmeichelt mir sehr.
    Danach strample ich mich wieder verzweifelt ab, ich opfere Figuren, greife an, werde gelobt, beschimpft und verhöhnt, dann hört er auf zu pfeifen und beginnt zu singen – »I'm still, I'm still Jenny from the block«.
    Ich überlege, welchen Bauern ich durchbringen kann, um ihn zur Dame zu machen. Ich bin sehr glücklich, so weit habe ich es noch nie gegen Oleg geschafft, und ganz unbescheiden träume ich sogar von einem Patt.
    »Nimm den Zug zurück«, sagt Oleg in meinen Freudentaumel hinein. »Das war großer Schwachsinn. Denk doch mal nach. Ausnahmsweise.«
    »Du kannst mich mal.«
    »Denk nach. Spann deine Flügel aus. Du guckst in die falsche Richtung. Lass deinen Bauern in Ruhe. Hier vorn spielt die Musik.«
    »Ich sehe es nicht, verdammt! Ich kann nur so.«
    »Wie heißt denn das Spiel?« fragt Oleg. »Don't cry for me, Argentina . . .«
    »Welches Spiel?« Ich verdrehe die Augen.
    »Na dieses da.«
    Und dann sehe ich es Plötzlich und haue meinen Turm nach vorn und rufe so laut »Schach!«, dass eine fette Taube, die neben meinem Fuß die Schalen der Sonnenblumenkerne aufpickt, hektisch abhebt und vorwurfsvoll eine Runde über unseren Köpfen dreht.
    Ich sehe ihr hinterher. Ich hätte gar nicht gedacht, dass sie noch fliegen kann.
    Dann senke ich den Blick auf das Brett, warte Olegs Zug ab, verschiebe meinen König und setze Oleg schachmatt.
    Und er freut sich so, als hätte ich gerade eine Wunderheilung an ihm vollbracht.
    »Wie blöd«, sage ich, bin aber nicht ganz ehrlich dabei. »Ich hab doch gar nicht gewonnen. Gar nicht selber. Das zählt nicht.«
    »Natürlich hast du«, sagt Oleg und strahlt. »Ich habe dir fast gar nicht geholfen. War ein tolles Spiel.«
    »Wir haben gewonnen«, singt Alissa und klettert wieder auf Olegs Schoß. »Wir haben gewonnen. Nur wir, und sonst keiner.«
    »Ich gehe dann mal«, sage ich, packe die Figuren in die weiße Kiste, schließe den Deckel, schiebe sie zu Oleg hin und stehe auf. Es fällt mir schwer, mir einzugestehen, wie unendlich stolz ich bin und wie nah an dem Gefühl, dass mir von nun an alles gelingen wird.
    Aber Alissa auf Olegs Schoß mag ich deswegen trotzdem nicht sehen.

Die Bombe platzt am nächsten Tag.
    Ich träume die ganze Nacht schlecht, als würde ich es ahnen. Ich bin wieder dreizehn und trinke gerade das erste Mal ein geruchloses Gebräu in einem nach Schimmel riechenden Keller – es ist eine Zeit, in der ich hier noch Freunde habe, und die älteren davon schenken ein und mischen zusammen, was sie »Cocktails« nennen.
    Es sind nur zwei Schlucke, und meine Kehle fühlt sich an wie betäubt. Ich schiebe die Tasse weg und greife mir an den Hals. Ich glaube, nie wieder schlucken zu können, nicht mehr atmen zu können, ich wache auf in Todesangst, gerade noch in der Lage, mich darüber zu wundern, dass das längst vergessene Erlebnis sich wieder aus den Tiefen meines Gedächtnisses ausgegraben hat. Ich habe jahrelang nicht mehr daran gedacht. Ich weiß auch inzwischen, dass Cocktails nicht zwangsläufig heimlich in Kellern getrunken werden und dass man danach nicht automatisch orangefarbene Wolken und ein Dutzend rotierende Sonnen sieht.
    Aber das Gefühl des

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