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Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Titel: Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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sie …? Ich meine, sie kann doch nicht … Ich meine …«
    »Ich befürchte, sie hat euch in eine Falle gelockt, Runa. Es tut mir leid.«
    »Aber ich habe keine Motorsäge gehört!«, mischte Kathi sich ein. »Wie kann denn so ein Mordsbaum einfach umfallen? Wir hätten doch eine Säge hören müssen!«
    »Kommt mit«, sagte Irmi nur. Sie stapften bergauf bis zu der Stelle, wo der Stumpf des umgefallenen Baums stand. »Da! Seht ihr, wie merkwürdig ausgefranst er ist?«
    »Ja, und?«
    »So was nennt man Haltebandtechnik. Bei dieser speziellen Fälltechnik macht man einen Stechschnitt und lässt dabei ein Stück des Stamms als Halteband stehen. Wenn kein massiver Wind aufkommt, kann der Baum ewig so stehen bleiben. So etwas macht man gerne im schwierigen Gelände, damit der Baum nicht unkontrolliert fällt. Vielleicht hat gestern jemand das alles schon vorbereitet und heute früh nur noch das Halteband durchtrennt. Dem Schnittbild lässt sich entnehmen, dass der Schnitt mit einer Handsäge gemacht wurde. Die hört man kaum. Sicher hat man bewusst auf die Motorsäge verzichtet.«
    »Man wollte uns töten«, flüsterte Åse.
    »Aber da muss man sich doch auskennen!«, rief Kathi. »Vroni muss eine zweite Person im Wald dabeigehabt haben.«
    »Ganz sicher«, meinte Irmi. »Vroni war der Lockvogel und sollte stehen bleiben, solange es ging. Eventuell hätte sie Åse oder Runa noch in die richtige Richtung geschubst.«
    »Um den Baum so manipulieren zu können, muss ich aber ein Holzarbeiter sein, oder?«, hakte Kathi nach.
    Irmi lächelte nachsichtig. »Ich habe auch einen Motorsägenschein. Gerne gebe ich dir bei Gelegenheit eine Einweisung in Fallkerb und Scharnier. Dabei kann ich dir gleich zeigen, wie man große Bäume niederlegt, wie man kleinere mit dem Fällheber umlegt, und natürlich könnte ich dir auch am Baum die Haltebandtechnik demonstrieren. So was kann auch eine Frau. Das hat mit Kraft wenig zu tun. Eher mit Technik und Wissen.«
    »Vielleicht war’s ja der Franz? Vater und Tochter. Warum nicht?«
    »Oder Rita? Oder Renate?«, schlug Irmi vor.
    »Rita mit der Motorsäge? Das passt doch nicht, oder? Renate kann vielleicht Gemüse ziehen und melken, aber keinen Baum fällen. Bei denen kümmert sich der Mann doch noch um die Männerarbeit. Markus lässt bestimmt keine Frau an die Motorsäge. Eine Frau im Forst darf maximal die Brotzeit bringen oder ein paar Dachsen einsammeln.«
    »Franz und Rita waren uns gegenüber sehr ungehalten. Renate war eigentlich recht nett und Vroni auch«, sagte Åse leise.
    Runa hatte die ganze Zeit geschwiegen. Doch nun schrie sie in den dunklen Wald hinaus: »Du wirst dieses Erbe annehmen, Oma! Jetzt erst recht! Die kriegen uns nicht klein. Die haben Marit getötet. Dafür werden sie zahlen. Und wenn es das Letzte ist, was ich tun kann. Ich hasse sie. Ich hasse sie!«
    Åse sah ihre Enkelin erschüttert an, Irmi war eher verwundert. Die ruhige, stets beherrschte Runa! Irgendwann explodieren eben auch jene Vulkane, die ewig geschwiegen haben. Von denen man denkt, sie seien längst erkaltet. Aber irgendwo brodelt es doch.
    Kathi ging auf Runa zu und drückte sie ganz kurz. »Du hast recht. Wir werden versuchen herauszufinden, was wirklich passiert ist. Diese verdammte Familie von Bauernschädeln!«
    Kathi war mal wieder völlig unprofessionell, aber Irmi ließ sie gewähren. Ihre an sich unmögliche Art nahm der Situation die Schwere. Immerhin waren da zwei Frauen gerade einem Mordanschlag entgangen.
    Es hatte leichter Schneefall eingesetzt. Vier Frauen standen neben einem gewaltigen Baum, der nun so harmlos auf dem Boden lag.
    »Wir verschwinden jetzt. Åse, geht es bei dir?«
    »Ich bin es von klein auf gewohnt, dass man mich nicht haben wollte, wie ich war. Umbringen wollte mich allerdings noch niemand«, sagte sie schlicht.
    Irmi traten die Tränen in die Augen. Sie drehte sich kurz weg. Das waren keine Tränen des Schmerzes, eigentlich waren es Freudentränen, denn Åse hatte mit Lore einen Weg gefunden, der sie versöhnt hatte mit ihrem holprigen Lebensanfang. Ihre letzten Jahre würden gute Jahre sein, erfüllt von Liebe und Achtsamkeit. Auch Runa würde es packen, weil sie diese Oma hatte und vielleicht doch ein paar Gene von diesem sturen alten Mann aus dem Ammertal. Solche Sturheit schadete nicht, im Gegenteil!
    Sie kletterten den Hang wieder hinauf, gingen den Weg entlang und dann dorthin, wo das Auto stand. Der Wagen mit dem Garmischer Kennzeichen GAP-VS war weg.

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