Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
so bauernschlau waren sie alle, um zu wissen, dass sich das Vorhandensein einer Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg nicht gerade günstig auf die Brandversicherung auswirken würde. Wer von ihnen hatte von der Bombe gewusst und sich sein Wissen eventuell zunutze gemacht?
»Ich würde gerne mit Ihrem Vater sprechen«, wandte Irmi sich an Markus.
»Sie können da nicht hochgehen, der schläft jetzt!«, rief Rita.
»Sie werden uns nicht davon abhalten. Notfalls hol ich mir einen Beschluss vom Staatsanwalt«, maulte Kathi retour, und auch wenn das so nicht ganz korrekt war, stoppte die Drohung immerhin Ritas Protest.
»Wenn Sie meinen«, sagte Markus, stand auf und ging zur Tür.
»Wir reden allein mit ihm!«, erklärte Irmi.
Markus Schmid blieb stumm an der Treppe stehen. Selbst er hatte in dieser Situation keinen passenden Satz in petto.
Irmi und Kathi stiegen die Treppe hinauf. Die Tür zum Elternschlafzimmer war angelehnt, und Xaver Schmid saß in einem Lehnstuhl, der aussah wie der in der Wohnstube unten. Er trug eine Strickjacke über seinem Pyjama. Vermutlich hatte ihn jemand ins Bett gebracht, doch er war wieder aufgestanden.
»Jetzt braucht auch keiner mehr zu kommen, damit ich aufs Klo kann«, sagte er. »Jetzt war ich schon selber, obwohl ich ja angeblich immer umfall!«
»Wir wären Ihnen gerne zur Hand gegangen«, sagte Kathi in einem ironischen Ton, der der Situation nicht gerade angemessen war.
Aber Xaver Schmid lachte. »Madel, des glaub ich ned. Was ist los da unten? Was schreien die alle so rum? Wegen euch zwei Grazien?«
»Wir mussten die Familie wegen des Brandes und wegen Ihrer toten Pflegerin befragen«, sagte Irmi vorsichtig und beäugte dabei den alten Mann, der aber keine Reaktion zeigte. »Herr Schmid, waren Sie im Krieg?«, fuhr sie fort.
»Klar, jeder war doch im Krieg. Lieb Vaterland. Das war halt so damals.« Eine leichte Schärfe lag in seiner Stimme.
»Hatten Sie da auch mit Phosphorbomben zu tun?«, fragte Kathi.
»Oder haben Sie mal einen Blindgänger gefunden?«, ergänzte Irmi.
Er blinzelte, sagte aber nichts.
»Herr Schmid, in Ihrer Tenne befand sich eine Phosphorbombe. Wie kann die denn da hingekommen sein?«
Er blinzelte wieder. »Woaß ned.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Ich glaube vielmehr, dass Sie in der Lage sind, eine solche Bombe zu erkennen, und sehr wohl wissen, dass Phosphorbomben extrem gefährlich sind, selbst wenn der Sprengkopf sicher hin war. Sagen Sie mal, Herr Schmid, wozu haben Sie so was denn aufgehoben?«
»Weiß ich nicht. Und wenn, dann is des lang her«, sagte er seufzend und schloss die Augen.
Irmi musste an Anna Marias Behauptung denken, dass der Opa sich einfach ausklinke und innerlich über den Rest der Welt lache. Irmi war klar, dass sie hier und heute nichts mehr erfahren würden. Womöglich musste sie sich wirklich um einen Durchsuchungsbeschluss bemühen, um dieses rätselhafte Testament zu finden. Ob die Staatsanwaltschaft bei so viel Spekulation mitziehen würde?
Irmi und Kathi verabschiedeten sich von der Familie Schmid und gingen zum Auto.
»Es ist doch zum Kotzen!«, stieß Kathi aus. »Diese Männer, die alles abwiegeln und überhaupt nichts damit zu tun haben wollen. Und diese Frauen, die immer nur rumzicken. Diese ganze Familie kotzt mich an. Auch diese perfekte Anna Maria. So perfekt kann doch niemand sein.«
»Perfekt will sie auch gar nicht sein«, sagte Irmi. »Vielmehr glaube ich, dass es unterschiedliche Wege gibt, mit Leid umzugehen. Die einen reden sich alles schön, die anderen verdrängen es, und manche versuchen halt, es allen recht zu machen und für jeden Verständnis zu haben. Und das ist gar nicht so leicht, wenn du in so einer Familie lebst und auch noch den Zwängen in einem kleinen Dorf unterliegst.«
Kathi schwieg eine Weile und schien nachzudenken. »Sag mal, Irmi«, sagte sie dann. »Kennst du die Schilder, die die Lkw-Fahrer im Führerhaus haben?«
Irmi nickte etwas irritiert.
»Früher stand da Karl-Heinz oder Günni, dann Ali oder Enzo und heute liest man Wladimir und Piotr, oder? Und wir sind längst auf Arbeitskräfte aus dem Osten angewiesen, und dann muss man sich so einen Schmarrn anhören wie bei der Familie Schmid – dass die Ausländer nichts taugen, nur klauen, kein Deutsch können. Und jemand wie die Renate wird schon gleich gar nicht ernst genommen …«
Jetzt verstand Irmi, was Kathi da etwas ungelenk formuliert hatte. Diese ganze angeblich zusammenrückende globalisierte Welt war
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