Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
kann doch kein Zufall sein, dass diese Bombe genau jetzt hochgeht. Die hat doch bestimmt schon lange dort gelegen. Da muss einer dran rumgespielt haben. Thomas, weil er nicht zum Stich kam, oder dieser Alki mit seiner Zicke, weil sie Geld gebraucht haben.« Kathi war wirklich eine Meisterin der Prägnanz.
»Dann lass uns mal weiter über die zweite Theorie nachdenken«, meinte Irmi. »Angenommen, Ionella hat die Katze gesucht. Überall, auch in der Tenne. Vielleicht hat sie ein Maunzen gehört und ist ins Silo gestiegen und hineingestürzt. Runa, die vermutlich gerade bei Ionella zu Besuch war, wollte ihr helfen. Ein weiterer tragischer Silounfall. Vermutlich wären die beiden Frauen gar nicht so schnell gefunden worden, wenn die Tenne nicht abgebrannt wäre. Eben weil Franz oder Rita oder beide sie abgefackelt haben.«
»Das sind dann aber zwei Paar Stiefel. Unfall im Silo plus Brandstiftung, um die Eltern zum Verkauf zu zwingen – das ist noch lange kein Mord, oder?«
Kathi hatte sich in Rage geredet, und man hätte glatt sagen können, sie war Feuer und Flamme – wäre das nicht schon wieder eine in diesem Zusammenhang ziemlich unpassende Redewendung gewesen, dachte Irmi.
Auf einmal sah sie das Gesicht von Runa vor sich. »Warum nur glaube ich nicht an diese Theorie?«, fragte sie ganz leise.
»Weil du immer sagst, glauben tun wir in der Kirche, und wissen ist besser?«
Irmi verzog zweifelnd den Mund. »Ja, Kathi, und Gefühle sind auch trügerisch. Aber mein Gefühl sagt mir, dass da irgendwas nicht stimmt mit den beiden Frauenleichen. Dass das kein Unfall gewesen sein kann. Aber Gefühle reichen nun mal nicht. Genauso wenig, wie der Glaube reicht.« Sie trank einen Schluck kalten Kaffee aus der Tasse, an der sie sich schon die ganze Zeit festhielt. »Wir müssen Frau Dr. Strissel informieren. Anschließend fahren wir zur Arbeitsstelle dieser Runa nach Schwangau. Wir müssen mehr über die junge Frau erfahren. Vielleicht ist sie der Schlüssel zum Ganzen. Und dann reden wir mit Tereza, die ja auch bald wieder da sein sollte.«
Frau Dr. Strissel wohnte in einem gediegenen Haus im gehobenen Landhausstil. Der dazugehörige große Garten war in dieser Jahreszeit von Schnee überzuckert, aber auch so konnte Irmi sehen, dass hier im Sommer ein Profi Hand anlegte. In diesen Kreisen beschäftigte man Gartenbauunternehmen. Die Strissels verfügten bestimmt auch über so einen gespenstischen Roboterrasenmäher, der, wie von Zauberhand bewegt, durch den Garten schnurrte. Als Bernhard so was zum ersten Mal gesehen hatte, war ihm die Kinnlade heruntergefallen.
Frau Dr. Strissel erkannte sofort an Irmis Blick, dass ihre schlimmsten Befürchtungen wahr geworden waren. Sie beherrschte sich, offenbar war sie nicht der Typ, der in der Öffentlichkeit weinte oder gar die Dramaqueen gab. Irmi versprach, alles zu tun, um den Fall möglichst bald aufzuklären. Frau Dr. Strissel wollte probieren, die Eltern von Runa zu erreichen, die aber ihres Wissens wenig Kontakt zur Tochter gehabt hatten und ständig im Dienst der Wissenschaft unterwegs waren.
»Der Vater ist Biologe, glaube ich, und die Mutter Fotografin. Sie begleitet ihren Mann auf Schiffsreisen an entlegene Forschungsstationen im Nordmeer. Runa hat eher wenig über ihre Eltern gesprochen, ja, sie hat fast ein wenig unwillig gewirkt. Deshalb bin auch nicht weiter in sie gedrungen.«
Irmi nickte. Es war merkwürdig im Leben: Plötzlich wurde etwas zum Thema, was jahrelang keine Bedeutung gehabt hatte. Sie selbst kam gerade vom Nordmeer, und Runas Eltern forschten dort. Das Leben öffnete plötzlich eine Tür, eine Tapetentür zumeist, von deren Existenz man gar nichts gewusst hatte. War das Schicksal oder alles nur Zufall?
»Dürfen wir Runas Zimmer sehen?«, fragte Irmi.
Frau Dr. Strissel brachte die Kommissarinnen ins Souterrain und verschwand gleich wieder. Da das Haus an den Hang gebaut war, gab es unten einige Zimmer, die dem Garten zugewandt waren. Der Raum, in dem Runa untergebracht gewesen war, hatte eine Terrassentür, die man fast über die ganze Zimmerbreite aufschieben konnte. Von hier aus gelangte man in ein geschmackvolles Bad mit gemauerter Dusche und Badewanne. Teuer aussehende Wasserhähne im antiken Stil zierten die Keramik – »Schöner Wohnen« in Ogau.
Der Inhalt des Kleiderschranks war wenig bemerkenswert, lauter Dinge, die man als junge Frau im Winter eben so trug. Das Bett war nachlässig gemacht, auf dem Kopfkissen saß ein Elch, der
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