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Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Titel: Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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weiß doch nicht mal, ob er vorher überhaupt schon mal eins geschrieben hat.«
    »Wollte er vielleicht Ionella bedenken? Glauben Sie das?«, fragte Kathi.
    »Ich weiß es echt nicht.« Anna Maria wirkte sehr angespannt.
    »Haben Sie schon mit jemand anderem darüber gesprochen?«
    »Ja, mit der Vroni, aber die hat nur gemeint, dass wir mal abwarten sollen, bis der Opa unter der Erde ist. Und dass natürlich sein Wille zähle, dafür habe er ja lange genug gearbeitet.«
    »Wo bewahrt er das Testament denn auf?«
    »Keine Ahnung. Rita behauptet zwar, dass er irgendwo einen Safe hat, aber wo der sein soll, weiß ich wirklich nicht.«
    »Hat sonst noch jemand was von diesem Testament mitbekommen?«
    »Keine Ahnung. Den besten Draht hat der Opa zu mir und zur Vroni. Die ist nur ab und zu beleidigt, wenn er ihr sagt, sie sei zu moppelig und solle weniger Schokolade essen. Sie hat es eh nicht leicht. Schon als Kind wurde sie ständig von ihrem Bruder gehänselt. Und ihr Job ist auch kein Zuckerschlecken. Die Kinder sind ja heute kleine Tyrannen, auch in Ogau. Sie glauben gar nicht, mit was für Eltern sich die Vroni rumschlagen muss. Die stehen nur hinter ihren Bälgern. Da gibt’s zum Beispiel einen Buben namens Justin. Die Mutter ist Alkoholikerin und kriegt Hartz IV , und wenn Justin anderen Kindern den Pullover zerschneidet, und zwar so richtig, dann nennt Vronis Chef das ›verhaltensoriginell‹. Die Mutter findet das völlig normal. ›Der muss sich doch wehren, der Bua‹, sagt sie. Und dann wäre da noch eine gewisse Mary Jane Baumgärtner. Die Mutter hat ein Tattoostudio und zwingt Vroni dazu, die Tochter M. J. zu nennen. Abends ist die Vroni oft völlig fertig mit der Welt, und dann isst sie Süßes. Sie ist halt so eine Frustesserin.«
    Bei einer Cousine mit Modelmaßen und One-Million-Dollar-Lächeln war man als dickliches Entlein bestimmt nicht auf der Gewinnerseite, dachte Irmi.
    »Und wenn dann der Opa sagt«, fuhr Anna Maria fort, »dass man im Dirndl besser ausschaut als in zu engen Jeans, tut ihr das natürlich weh. Er ist da halt ehrlich bis schonungslos. Wie ein kleines Kind. Plappert alles raus, der Opa.«
    »Aber er ist klar im Kopf?«
    »Das schon. Sein Langzeitgedächtnis ist exzellent. Nur das Kurzzeitgedächtnis lässt nach. Er ist halt sehr alt, wird schnell müde … Und wissen Sie was? Ich glaub, er mag manchmal auch nicht. Da taucht er einfach ab. Und lacht über uns. Innerlich, mein ich.«
    »Und die Oma?«
    »Das tut schon weh, da zusehen zu müssen, wie sie abbaut. Sie war früher so eine Rätselliesl und hat jedes Kreuzworträtsel in Windeseile gelöst. Mit ihren Landfrauen hat sie Rummy Cup und andere Kartenspiele gespielt, und sie war richtig gut, hat immer gewonnen. Und jetzt kann sie kaum einen ordentlichen Satz formulieren. Sie ist so depressiv. So traurig. So anklagend. Ach …«
    »Das ist ganz schön schwer für Sie, oder?«
    »Ich weiß, dass sie krank ist, aber manchmal ist sie so gemein, dass ich mir nicht vorstellen kann, das kommt nur von der Krankheit. Ich glaube, manchmal weiß sie ganz genau, wo sie zustechen kann. Und dann dreht sie auch noch das Messer in der Wunde … Ich weiß, so etwas sollte ich wahrscheinlich gar nicht sagen, aber …«
    Wie ihre Cousine hatte auch Anna Maria nicht den leichten Weg gewählt. Sie wollte verständnisvoll und gerecht sein, auch wenn das schwer war. Vielleicht hätte sie ihr das sagen sollen, dachte Irmi, aber sie musste professionelle Distanz wahren. Und so bedankte sie sich bei der schönen Anna Maria und bat sie, die restliche Familie zu holen.
    Wenig später saßen sie wieder alle am Küchentisch. Franz war inzwischen so betankt, dass er beinahe weggetreten wirkte. Rita schaute so schlecht gelaunt drein wie immer. Renate hatte dunkle Augenringe, während Markus sein Zahnpastalächeln zur Schau stellte. Anna Maria wirkte ähnlich erschöpft wie ihre Mutter. Thomas hingegen sah sich provozierend um, und Vroni starrte auf die Tischplatte und drehte gedankenverloren eine Haarsträhne.
    Dann ließ Irmi die Bombe platzen – im wahrsten Sinne des Wortes. Allen stand die Ungläubigkeit ins Gesicht geschrieben, als sie berichtete, dass die Brandursache ohne jeden Zweifel eine Phosphorbombe sei. Thomas war anzusehen, wie sein Spatzenhirnchen mühsam die Botschaft verarbeitete. Dann brach ein Tumult los, alle redeten durcheinander. Keiner aus der Familie hatte je eine Phosphorbombe in der Tenne gesehen. Was Irmi nicht so ganz glaubte, aber

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