Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
nicht aus dem Stegreif, aber sie verstand, was Renate Schmid damit gemeint hatte. Sie hielt Ionella für ein bodenständiges Landmädchen, das die Gefahren von Silos gekannt haben müsste.
»Haben Sie denn eine Ahnung, wer diese zweite Person gewesen sein könnte? Es gab offenbar noch eine Rumänin im Dorf, oder?«
»Ja, die Tereza. Auch so eine Hübsche. Ionella ist öfter mal zu ihr rübergegangen. Beim Beck geht es etwas liberaler zu als bei uns. Das Mädchen hat einen freien Tag und so weiter.« Sie seufzte. »Wissen Sie, Frau Mangold, ich hätte viel mehr eingreifen müssen. Mich vor die Mädchen stellen. Ich hab mich zu wenig gekümmert, das tut mir so leid. Klar, wir haben viel zu tun auf dem Hof, mit den Tieren und dem Laden – aber das darf doch alles keine Entschuldigung sein. Und jetzt ist sie tot …« Sie begann zu weinen.
Als Renate Schmid sich wieder ein wenig beruhigt hatte, bat Irmi sie, ihren Mann hereinzuschicken.
»Irgendwas stimmt mit der nicht«, sagte Kathi, sobald Renate rausgegangen war. »Macht auf besorgt, dabei hat sie doch gar nix getan.«
Bevor Irmi antworten konnte, klopfte Markus Schmid höflich an und trat dann ein. Er setzte sich und sah freundlich interessiert von Irmi zu Kathi.
»Ich schäme mich etwas für meine Familie«, sagte er dann. »Zwei Tote – und die schreien hier rum.«
»Nun, das ist ja auch eine Ausnahmesituation«, meinte Irmi.
»Das halbe Leben ist eine Ausnahmesituation«, konterte er. Sein Bericht deckte sich mit dem seiner Frau, er hielt sich aber mit jeder Schuldzuweisung zurück. Der Bruder habe eben kein Händchen fürs Geld, und der Thomas sei ein Spätentwickler. Aus seinen Worten sprach eine große Liebe für seine Frau, die viel zu viel arbeite, die sich zu viel zumute und sich immer verantwortlich fühle. Für Mensch und Tier.
»Wir hatten mal eine Schweinezucht, doch das mussten wir aufgeben, weil wir ganze Nächte bei schwierigen Ferkelgeburten im Stall verbracht haben und diese Viecher so ins Herz geschlossen haben, dass jeder Schlachttermin eine halbe Trauerveranstaltung war. Schweine sind so menschlich. Und der Renate ist das alles noch viel nähergegangen als mir.«
Als Irmi erwähnte, dass sich seine Frau Vorwürfe wegen der jungen Mädchen gemacht habe, war er zum ersten Mal anderer Meinung als Renate.
»Ich kann nicht behaupten, dass es den Pflegerinnen schlecht gegangen wäre. Die haben sich schon ihre Freiräume geschaffen. Außerdem ist die Arbeit hier eine Möglichkeit für sie, schnell gutes Geld zu verdienen. Von dem, was sie hier kriegen, können die in ihrer Heimat eine ganze Weile leben. Schließlich sind das erwachsene Frauen, die sich bewusst dafür entschieden haben.«
Als Markus Schmid wieder draußen war, stieß Kathi aus: »Wenn ich nicht wüsste, dass der Bauer ist, würd ich sagen, der ist Coach für Lebensglück oder veranstaltet Engel-Aura-was-weiß-ich-Kurse.«
»Nicht jeder Landwirt ist eine Dumpfbacke«, konterte Irmi mit einer gewissen Schärfe.
»Aber der ist doch zu gut, um wahr zu sein. Trau niemals solchen Gutmenschen!«, rief Kathi. »Glaubst du wirklich, dass der nach all den Ehejahren treu ist wie ein Hunderl? Ob der nicht auch mal so einer Rumänin nachgestiegen ist?«
Irmi bezweifelte das. Vielleicht hatte Renate Schmid ja tatsächlich den Hauptgewinn in der Tombola gezogen – einen attraktiven Mann, der zu ihr stand. So war es nun mal bei Tombolas: Es gab nur einen einzigen Hauptgewinn, den großen Teddybären, während die anderen im besten Fall ein Plüschtierchen zogen, die meisten aber nur Schraubendreher, Kugelschreiber oder gleich Nieten. Wobei Irmi gedanklich einräumte, dass es auch nette, sympathische große Teddybären mit Schauspieltalent geben mochte.
Markus’ Bruder Franz hingegen schauspielerte gar nicht. Er war der Meinung, dass der Streit um den elterlichen Hof ohnehin bald ein Ende haben werde, weil Xaver und Burgi den Weg alles Irdischen gehen würden. Er meinte das gar nicht böse, er sprach auch von einer Erlösung für die Mama und davon, dass beim Papa wirklich nicht mehr die Hebamme schuld wäre, würde er jetzt sterben. Die Rumäninnen seien halt anders als die Deutschen, ein anderer Menschenschlag. Franz Schmid wirkte weitaus sanftmütiger als noch am Mittag. Bestimmt hatte er inzwischen schon einiges gepichelt, und er war offenbar einer der Menschen, die unter Alkoholeinfluss eher gutmütiger werden.
Als Anna Maria, die Tochter von Renate und Markus, hereinkam,
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