Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
aus ihrer Kollegin munter heraus. Dass Kathi dabei sehr oft verletzend war, war ihr oft gar nicht bewusst. Sie vergaß auch schnell und war ehrlich bestürzt, wenn ihr nachtragendere Menschen noch Jahre später sagen konnten, wann sie ihnen das Kraut ausgeschüttet hatte.
»Und sonst ist keiner in Sicht? Mir hätte ja der Tiroler gefallen«, bemerkte Irmi.
»Wir treffen uns ab und zu. Zum Essen mit anschließendem Geschlechtsverkehr. Das kann er gut.«
Irmi tat der Mann leid. Er war richtig verschossen in Kathi, seit Jahren schon. Dass er sich auf so einen unverbindlichen Deal einließ, lag sicher nur daran, dass er hoffte, Kathi doch noch zu überzeugen. Andererseits war er auch bloß ein Mann. Besser den Sex in der Hand als die Ehefrau im Orbit.
»Was macht eigentlich Jens?«, erkundigte sich Kathi. »Weiß der überhaupt, dass du wieder in Deutschland bist?«
»Ich hab es ihm gesimst. Er ist irgendwo unterwegs. Es ändert sich ja nichts, ob ich nun in Norwegen oder hier bin.« Nein, es änderte sich nichts. Er blieb ein verheirateter Parttime-Lover. Und der Mensch, der immer in ihrem Herzen sein würde.
In Saulgrub bogen sie ab ins Ammertal, das sich hier weitete und einen schönen Blick auf Kofel und Pürschling freigab. Der Stadel lag tatsächlich unweit der Kappel. Es war ein großzügiger Neubau, wie man ihn eben hatte als Landwirt, und alles wäre wieder mal so schrecklich normal gewesen, hätten da nicht schon die Kollegen gestanden und auf sie gewartet. Man grüßte und redete ein paar Sätze. Ein Bauer tuckerte mit einem kleinen Allradbulldog vorbei und wäre vor lauter Halsrecken fast in eine Schneewechte gefahren. Heute Abend würde ganz Ugau wissen, dass die Bullerei beim Schmid gewesen war. Und wenn demnächst in der Zeitung zu lesen war, dass im Ammertal ein Baumaschinendiebstahl in größerem Ausmaß aufgedeckt worden sei, dann würde man im Dorf weitaus mehr wissen als das, was der Schreiberling zu Papier gebracht hatte. Wie immer würde das Wissen dann in konzentrischen Ringen nach außen hin abnehmen. Die einen würden noch wissen, wer dieser Schmid war, die Nächsten schon gespannt nach dem »Wer?« fragen müssen. Weiter draußen würde man die schaurigschöne Geschichte lesen, keinen kennen und sich wundern, dass es so was gab. Hier im beschaulichen Ammertal.
Unter dem unscheinbaren Holzmantel des Stadels befand sich tatsächlich eine Autowerkstatt mit Lackiererei. Der Hase sicherte Fingerabdrücke, die es natürlich zuhauf gab. Die würde man leicht den Schmid-Burschen zuordnen können, und weil der Hase schon wieder so leidend dreinblickte, flüchteten die Kommissarinnen den Hang hinunter und über die Bundesstraße, hinüber nach Scherenau.
Der Biobauernhof von Markus und Renate Schmid war unauffällig, ein kleines Holzschild verwies auf den Hofladen. Auch hier waren schon die Kollegen eingetroffen, um Beweismaterial zu sichern. Vor dem Wohnhaus standen ein paar neugierige Nachbarn und tuschelten miteinander. Irmi und Kathi gingen durch die offene Haustür und über den langen Gang in die Küche, wo Renate Schmid saß. Sie hatte geweint.
Als die beiden Kommissarinnen hereinkamen, blickte Renate Schmid hoch. »Habe ich das Ihnen zu verdanken?«
»Eher Ihrem Mann!«, rief Kathi und setzte sich rittlings auf einen Stuhl. Irmi zog sich ebenfalls einen heran.
»Frau Schmid, wussten Sie, dass Ihr Mann und Ihr Neffe Baumaschinen stehlen, umlackieren und in den Osten verschieben?«, fragte Irmi.
Renate Schmid wischte sich ein paar Tränen ab und sagte mit gesenktem Blick: »Das glaube ich nicht. Das muss ein Irrtum sein!«
»Irrtum ausgeschlossen! Wussten Sie, dass die rumänischen Mädchen die Buchhaltung und die Übersetzerdienste übernommen haben?«
Die Bäuerin schwieg.
»Frau Schmid, die Mädchen waren bei Ihnen im Haus am PC ! Das müssen Sie doch bemerkt haben!«
»Ja, aber die haben doch nur ein paar Briefe übersetzt, die Markus an rumänische Biobauern geschrieben hat. Er ist Mitglied in einem europäischen Bionetzwerk und wollte einfach mehr über die Produktionsbedingungen in solchen Ländern erfahren, nicht zuletzt um dort vielleicht Boden zu kaufen.«
Irmi war Landwirtstochter genug, um zu wissen, dass das gar nicht so abwegig war. Rumänien war ein fruchtbares Land und die Bodenpreise niedrig. Der Biomarkt boomte, und deutsche Bauern waren gar nicht mehr in der Lage, die große Nachfrage zu erfüllen. Rumänien exportierte längst in andere EU -Länder, auch weil die
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