Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
wenig später am Klinikum. Irmi empfand das Klinikum wie immer als beklemmend. Wie eine Fabrik sah es aus. Die Berge standen so nah, und durch die ständigen An- und Umbauarbeiten fühlte sie sich bei der Suche nach dem Zimmer von Markus Schmid wie in einem Irrgarten. Schließlich hatten sie ihn gefunden. Er lag in einem Dreibettzimmer, in dem die anderen beiden Betten nicht belegt waren. Das war insofern verwunderlich, als gerade die Hauptzeit der Sportunfälle herrschte, bei denen sich Skifahrer und Snowboarder zuhauf die Knochen brachen, die Bänder rissen und die Schultern luxierten. Da war es gut, wenn sie immerhin Helme trugen statt Wollmützen, während sie ihre Schädel aneinanderschlugen. Orthopäde oder Chirurg war im Garmischer Winter sicher kein Traumjob.
Markus Schmid trug einige Pflaster über der Nase und war über dem Auge genäht. Ein Kopfverband vervollständigte das Gesamtbild, das Irmi an den Film »Die Mumie kehrt zurück« erinnerte. Markus Schmid blinzelte kurz, dann erkannte er die Kommissarinnen.
»Sie müssen diese irren Rumänen festnehmen!«, rief er und setzte sich schwer atmend auf.
Irmi schwieg, während Kathi das Bild an der Wand betrachtete, das die Alpspitze zeigte.
»Die sind mitten in der Nacht über mich hergefallen. Ohne Vorwarnung. Haben geläutet, ich bin zur Tür, und da hatte ich schon die Faust im Gesicht!«
»Interessante Perspektive der Alpspitze«, sagte Kathi.
»Ja, wirklich«, meinte Irmi. »Sie wirkt auf dem Bild weniger schroff als in Wirklichkeit. Fast lieblich.«
Schmid blinzelte erneut, was daran liegen mochte, dass der Verband ihm allmählich über das rechte Auge rutschte. »Ich bin lebensgefährlich verletzt worden, und Sie schauen sich Bilder an?«
»Na ja, Lebensgefahr besteht ja nicht, oder! Die haben Ihnen das Hirn ein bisschen durchgewirbelt und die Nase neu platziert. Wer weiß, wofür das gut ist!«, kommentierte Kathi.
»Was soll das? Was wollen Sie hier? Sie sind doch wohl gekommen, um meine Aussage aufzunehmen. Zwei verrückt gewordene Rumänen haben mich halb umgebracht, völlig grundlos und aus dem Hinterhalt.«
»Bleiben Sie mal ganz ruhig, Herr Schmid«, sagte Irmi. »Auch mit einer leichten Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen. Leider haben Sie ganz vergessen, uns zu erzählen, dass Sie gestohlene Baumaschinen in den Osten verkaufen und für die Büroarbeiten leichtgläubige Mädchen missbrauchen, die Sie mit einem Sonderbonus ködern! Dabei haben wir doch so nett miteinander geplaudert.« Irmi lächelte.
»Das behaupten diese irren Rumänen vielleicht. Das ist aber eine Lüge! Die haben mich zusammengeschlagen. Die müssen Sie verhaften!«
Irmi setzte wie schon öfter in ihrem Berufsleben aufs Bluffen. Früher hatte sie noch gezögert und daran gezweifelt, dass so viel Frechheit siegen konnte, doch nach einigen diesbezüglichen Erfahrungen hatte sie festgestellt, wie einfach es war. Hauptsache, sie blieb ganz ruhig und eiskalt wie eine Hundeschnauze, dann brachen fast alle Befragten zusammen. Kartenhäuser stürzten ein. Lügengebilde zerbröselten wie Sandburgen, die in leichtem Größenwahn gebaut worden waren und die doch gegen Wind, Sonne und Wellen keine Chance hatten.
»Herr Schmid, da haben Sie so einen schönen Stadel im Wiesmahd. Mit der Kappel in Sichtweite, einer der ältesten Kirchen im Ammertal, deren Chor vom Wessobrunner Meister Johann Schmuzer gebaut wurde und deren Deckenfresken vom Erfinder unserer berühmten Lüftlmalerei, Franz Seraph Zwinck, stammen. Die Kappel ist eine der fünfzehn Stationen auf dem Meditationsweg – und wenige Meter entfernt lackieren Sie Baumaschinen um. Das grenzt ja fast an Blasphemie! Sie und Ihr Neffe haben da einen lukrativen Zweitverdienst gefunden, das wissen wir längst. Das ist illegal, und dazu werden die Kollegen Sie sicher auch noch befragen wollen. Aber eine junge Frau zu töten, nur weil sie aus diesen kriminellen Machenschaften aussteigen wollte, das ist unser Ressort. Und Mord wiegt ein klein wenig schwerer als Ihre Diebstähle und die Hehlerei!«
Jetzt kam es Irmi zupass, dass sie vor zwei Jahren mit Jens auf dem Wiesmahdweg gewandert war und Jens, das wandelnde Geschichtslexikon, ihr von der Kappelkirche erzählt hatte, die eigentlich Heilig Blut hieß. Es war ihr ein bisschen peinlich gewesen, dass sie als Werdenfelserin sich von einem Preiß die Geschichte der Lüftlmalerei hatte erklären lassen müssen.
Kathi starrte ihre Kollegin beeindruckt an, und auch Schmid
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