Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)
an den Wolga-Don-Kanal beantragt hatte] treten. Für: 1. Ich werde mir die Verringerung meines Strafmaßes um ein Jahr verdienen. 2. Die Arbeit wird interessanter sein, was mein Gehirn benötigt. 3. Es ist im Süden. Wider: 1. Die Bauphase steht kurz vor ihrem Ende. 2. Was würde dann mit mir geschehen? Wohin würde man mich schicken? 3. Die Reise. Insgesamt kann die dortige Umgebung nicht ungünstiger für meine Gesundheit sein als die hiesige. Aber Fragen anderer Art treiben mich um – ob wir in der Lage sein werden, uns in diesem Jahr zu treffen, und mein Widerwille, G. J. [Strelkow] hier allein zurückzulassen.
Ihm lag daran, dass Sweta seinen Plan billigte. »Das letzte Wort gehört Dir«, schrieb er drei Tage später. Lew war »sehr erfreut«, als sie ihm »grünes Licht« gab. Andererseits wurden dadurch ihre Sommerpläne für ein Treffen gefährdet. Am 25. April riet er Sweta, jeden Gedanken an »Sonderexpeditionen« nach Norden zurückzustellen, bis er von den Behörden gehört habe. »Solche Entscheidungen können sich monatelang hinziehen«, warnte er. »Also hat es keinen Zweck, auf eine Nachricht zu warten.«
Falls etwas geschieht, werde ich Dir per Telegramm Bescheid geben – oder, besser gesagt, jemand anders wird es tun, denn ich werde keine Zeit haben. Gewöhnlich ist es von der Benachrichtigung bis zur Abfahrt eine Frage von Stunden, nicht von Tagen. Dank Deiner Hartnäckigkeit [was die Verschickung von Paketen anging] … habe ich einigen Ballast – einen vollen Kleiderschrank – angesammelt, den ich Ant. Mich. [Juschkewitsch, ein Mithäftling und Invalide] geben oder Dir vorher zurücksenden werde, entweder mit Hilfe der Litwinenkos oder auf irgendeinemanderen Weg. Vielleicht – und mit Deinem Einverständnis – wäre es am besten, Oleg damit »neu zu beliefern«. Ich werde mich bemühen, ein paar Bücher mitzunehmen, wenn das möglich erscheint. Und ich werde darum bitten, mir die übrigen (natürlich nicht alle, sondern nur die wichtigsten) weiterzuleiten – entweder direkt oder über Dich. Organisiere keine Sonderexpeditionen, Swet, tu nur das, was für Dich am günstigsten ist, denn es ist wirklich schwierig, die Entwicklung abzusehen. Hoffen wir das Beste.
Da Lew eine Versetzung nach Süden ins Auge fasste, wollte Sweta sich im Sommer einer Wandergruppe bei einem Campingurlaub im sibirischen Tuwa anschließen. Sie freute sich auf die Ferien, fürchtete jedoch, keine Zeit zu einem Besuch bei Lew zu haben. »Mein Gewissen macht mir zu schaffen«, gestand sie am 22. Juni. »Warum drängt es mich, nach Tuwa zu fahren, obwohl ich mit Dir zusammen sein muss?« Die Sibirienreise würde einen Monat dauern und ihren gesamten Urlaub in Anspruch nehmen, während Ferien im Kaukasus, wo sie im Vorjahr gewesen war, ihr am Ende Zeit lassen würden, nach Petschora zu fahren. Eine Woche später wurde der Campingurlaub gestrichen, was Sweta die Möglichkeit bot, Lew zu besuchen, der inzwischen erfahren hatte, dass »keine Arbeiter am Wolga-Don-Kanal benötigt« wurden – und auch nicht auf den anderen Baustellen, etwa der des Chakowka-Wasserkraftwerks in der Ukraine, wohin Lew sich ebenfalls gern hätte verlegen lassen. Sweta teilte seine Enttäuschung, freute sich jedoch andererseits darüber, dass sie ihn nun besuchen konnte. Am Abend des 29. Juni schrieb sie:
Ljowa, ich möchte wirklich schlafen gehen, aber noch dringender möchte ich Dir mitteilen, dass sich mein Schicksal entschieden hat, allerdings nicht im Einklang mit Deinem Vorschlag – diese Möglichkeit kam mir nicht einmal in den Sinn. Ich fahre nicht nach Tuwa, das steht fest, und ich bin erleichtert, weil ich Dir näher sein werde.
Lew war aufrichtig enttäuscht darüber, dass sie auf ihren Urlaub verzichtete. »Glaub nicht, ich sei froh darüber, dass Du nicht nach Tuwa reist«, erwiderte er am 7. Juli.
Es mag einen Abend gegeben haben, an dem ich ein bisschen bedrückt war, nachdem ich von Deinen Plänen für Tuwa erfuhr – das räume ich ein. Aber dann war es genau das Gegenteil: Ich wünschte mir immer, dass Du Dir den Urlaub nimmst, und schämte mich, dass ich jemals anders darüber gedacht hatte.
Nun fuhr Sweta mit ihren Plänen für Petschora fort. Sie würde Mitte August eintreffen, nach einer Reise in den Kaukasus, wo sie, wie1950 , eine Verlängerung ihres Urlaubs um vier Tage bekäme, so dass sie vor ihrer Rückkehr nach Moskau nach Petschora fahren könnte. »Mein Liebling Lew«, schrieb sie
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