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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gewehr in Berlin vor der Reichskanzlei und schoß auf Hitler, als er in den Wagen stieg. Und das ganze Volk schrie Hurra! Hurra Schultze! Der Held! Der Kämpfer! Der Germane mit dem Todesblick! Dann später – im Krieg – – – da war es der Gefreite Schultze, der den ganzen Krieg sabotierte, nicht wahr? Der Fall Stalingrads – – – das Werk Schultzes, des glühenden Pazifisten! Die Einkesselung bei Kurland … das Werk Schultzes, des genialen Saboteurs! Die Eroberung Berlins durch die Russen – – – doch halt! Hier hört es auf. Hier wird es unangenehm für die Weltgeschichte. Also war Schultze diesmal nicht dabei! Das war'n anderer! Aber jetzt steht Schultze wieder da! Beamter für Verfassungsschutz. Hoch oben wieder. Kämpfer für die Demokratie, der er ja immer war. Nicht wahr, Herr Schultze? So ein Held waren Sie in der grausamen Hitlerzeit. Nur schade, daß keiner von diesen Heldentaten weiß oder gelesen hat!«
    »Dafür werden Sie sich zu verantworten haben!« knirschte der Beamte. Über sein Gesicht zog eine fahle Blässe.
    »Verantworten? Gerne! Aber jetzt antworte ich Ihnen erst! Ja! Dort unten wurden zweitausend Menschen zu Tode gequält. Und ich habe zugesehen! Wehrlos, machtlos, bis zum Hals in Ekel steckend. Wollen Sie uns jetzt bestrafen und anklagen, weil wir wehrlos waren? Weil wir genau so wenig Zivilcourage besaßen wie Sie – – – und Sie – – – und Sie? Warum bestand denn das Dritte Reich zwölf Jahre lang, wenn Sie solche Helden waren? Warum gab es einen fünfjährigen Krieg an allen Fronten Europas, wenn Sie so überragenden Widerstand leisteten? Wo waren Sie denn damals? Wenn ich Ihre Papiere durchblättern könnte, würde ich vielleicht lesen: EK II und EK I. Infanteriesturmabzeichen. Dreimal verwundet. Dienstgrad Feldwebel. Oder Leutnant! Oder Hauptmann. Lag in Rußland, Frankreich, Norwegen, Griechenland, Kreta, Afrika. Aber nein, aber nein, meine Herren – wie konnten Sie nur? Wo gehörten Sie denn hin? Nicht an die Front … mit der Knarre zur Wolfsschanze und Hitler umlegen. Das war doch Ihre Aufgabe als Saboteur, der immer dagegen war! Oder wurden Sie sogar gezwungen, den ganzen Mist mitzumachen, und entdeckten erst, als die Scheiße Ihnen bis zum Hals stand, die Möglichkeit, als Immergegner sich aus der Affäre zu ziehen und die eigene Haut zu retten? Und Sie, gerade Sie verlangen von mir, daß ich mutiger sein sollte als Sie selbst …?«
    Dr. Schwab lehnte sich schweratmend an die Wand hinter dem Schreibtisch, an der ein verblichenes Bild des alten Silberbaum hing. Der alte Silberbaum mit seinen immer traurigen und immer demütigen Augen, Symbol seiner Rasse, die nirgends auf der Welt Ruhe fand und die der Haß der Menschheit verfolgte von Moses Zeiten an.
    »Ich glaube, wir können gehen«, sagte einer der Beamten steif und erhob sich.
    »Nein! Bitte bleiben Sie!«
    In der Tür stand Frank Gerholdt. Er hatte auf dem Flur den Ausbruch Dr. Schwabs mit angehört, und er stand jetzt im Raum mit verbissenem Gesicht und verschleierten Augen. Die weißen Haare blinkten in der Sonne, die durch die breiten Fenster in den Raum flutete.
    Die drei Beamten sahen ihn abwägend an. Das ist er, dachten sie gemeinsam. Das ist Frank Gerholdt! Ein armer Greis, den man umbläst, wenn man laut zu sprechen beginnt.
    »Setzen Sie sich!«
    Der Ton der Stimme riß die Besucher zusammen. Es war nicht die Stimme eines Greises, sondern ein Befehl, der wie ein Schlag ihre Sinne traf. Sie wollten sich setzen, als eine Handbewegung Gerholdts sie aufhielt.
    »Nein. Bleiben Sie stehen! Was wollen Sie von mir?«
    »Man wirft uns landesverräterische Beziehungen zum Osten vor«, sagte Dr. Schwab, bevor jemand anderes antworten konnte. »Und man macht uns verantwortlich für die Tötungen unserer KZ-Arbeiter.«
    Frank Gerholdt nickte. »Ich habe so etwas erwartet. Es ist wie eine Schraube, die man eindreht. Ist sie bis zum Kopf hineingebohrt und wackelt noch, dann schlägt man mit dem Hammer drauf!« Er wandte sich zu den drei Beamten und sah sie kurz an. »Sie machen mich verantwortlich?«
    »Es geschah in Ihrem Namen! Sie unterschrieben sogar die Abgänge durch die Exekutionen.«
    »Weil man es verlangte! Man führte genau Buch über Tod und Leben! Jeder Abgang interessiert … vom Kammerbullen bis zum Furier.«
    »Sie sind ein Zyniker!«
    »Und Sie sind ein Rindvieh!«
    »Herr Gerholdt. Ich mache Sie darauf aufmerksam …«
    »Ich weiß. Beamtenbeleidigung. Paragraph soundsoviel, Absatz eins

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