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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Treppen ist zu vermeiden!« schrie er.
    »Wer macht hier Lärm?!« Frau Möllen, im Zustand völliger Auflösung, war nicht bereit, sich auch noch dieses bieten zu lassen. Sie wuchtete die Treppe hinab und hing wie eine drohende Lawine über dem Kanzleivorsteher. »Wer schreit hier? Wer hetzt die Mieter auf? Wer macht aus diesem friedlichen Haus eine Kaserne? Sie! Nur Sie! Kommandieren Sie Ihre Schreiber in der Kanzlei – hier haben Sie still zu sein!« Sie sah auf den zornbebenden kleinen Mann herab und fügte mit aller Verachtung, deren sie mächtig war, hinzu: »Sie Männchen, Sie!«
    Der Herr Kanzleivorsteher rang nach Luft. Alles konnte er vertragen, nur eine Anspielung auf seine kleine Figur machte ihn zum Berserker. Schon beim Militär hatte man sich sehr überlegt, ihn zum Feldwebel zu machen, weil er keine Respektsfigur hatte, wie man es nannte. Immer hatte er unter seiner Kleinheit gelitten – sogar im Amt, jetzt, in der Kanzlei, hatte er einmal gehört, wie man sich zuraunte: Der Zwerg kommt. Er war daraufhin acht Tage krank gewesen, geschüttelt von Wut und Komplexen! Und nun nannte ihn Frau Möllen vor allen Mietern ein Männchen. Er schnappte nach Luft wie ein Ertrinkender.
    »Das ist Beamtenbeleidigung!« brüllte er hell. »Das werde ich zur Anzeige bringen! Darauf steht Gefängnis!«
    Frau Möllen räumte das Schlachtfeld und schloß sich in ihre Küche ein. Während die Möbelpacker die wenigen Stücke die Treppe heruntertrugen, die sich Gerholdt in diesen zwei Jahren angeschafft hatte … eine Couch, das Kinderbett Ritas, einen Schrank, zwei Sessel, viel, viel Spielzeug, einen Sportwagen für Rita, einen Haargarnteppich … weinte sie dicke Tränen in ihre Schürze und kam sich vor, als sei sie zum zweitenmal Witwe geworden.
    Sie hörte die helle Stimme Ritas, die zwischen den Packern herumsprang und plapperte.
    »Neue Wohnung«, hörte sie. »Papa hat neue Wohnung! Papa ganz große Wohnung. Und Mutti kommt auch …«
    Das war der größte Stich im Herzen Frau Möllens. Irene Hartung! Gerholdt wollte sie heiraten. Sie schüttelte den Kopf und drückte die Schürze an die Augen. »Die Männer«, schluchzte sie. »Diese dummen Männer … wie gut hätte er es bei mir haben können …«
    Nach dem Umzug – Gerholdt hatte für Rita ein Kindermädchen eingestellt, das in einem eigenen Zimmer neben Ritas Kinderzimmer schlief – begann für Gerholdt die Jagd nach dem vernünftigen Anlegen des Geldes. Zunächst hatte er Petermann und Herrn Berger abzuwehren. Sie waren nacheinander gekommen und sehr schnell wieder gegangen.
    »Na, alte Nulpe!« begrüßte ihn Petermann jovial, als er eintrat. »Ausgeschlafen? Hab' amal ein Rauscherl g'habt, was?! Kann vorkommen! Nehme ich dir nicht übel. Auch nicht deine klassischen Götz-Zitate. Hatte im übrigen eine Stange Arbeit, den Sturmbannführer zu beruhigen. Dieser Idiot von Berger hatte ihn wild gemacht und alles geglaubt, was du ihm gesagt hast. Ein Mann ohne Humor. Gibt es auch in unseren Kreisen!«
    Gerholdt sah Petermann mit dem ruhigen Blick eines Mannes an, der weiß, daß er außerhalb aller Anfechtungen steht und es sich leisten kann, sein Gegenüber zu brüskieren.
    »So«, sagte er langsam. »Er hat alles geglaubt?«
    »Ja. Welch ein Idiot, was?«
    »Stimmt! Sieh mal dort in den Spiegel. Was siehst du?«
    Petermann wieherte hell. »Meinen Charakterkopf.«
    »Einen noch größeren Idioten siehst du! – Was ich gesagt habe, war wahr! Berger hat das richtig erkannt.«
    »Aber …« Petermann riß den Mund auf. Er sah in diesem Augenblick dumm aus. Eine Kaulquappe, die nach Luft schnappt.
    »Kein Aber, Petermann! Ich habe es satt! Einfach satt! Was ihr da machen wollt, ist von eurem Standpunkt ganz schön. Es bringt Geld, und wenn man ab und zu den Oberen, den Befehlenden in den Hintern kriechen muß … gut, kriechen wir. Es gibt ja Seife und Ata genug, sich nachher wieder von dem Dreck reinzuwaschen. Hauptsache: Man verdient!«
    Petermann setzte sich schwer. »Junge, wenn das einer hört, biste sofort abtransportiert.«
    »Du sagst es! Das ist genau das, was ich hören wollte! Abtransportiert! Wer nicht so tanzt, wie geflötet wird, wird abgeschoben! Ist das Freiheit? Ist das Entfaltung der Persönlichkeit?!«
    »Blödsinn! Geldverdienen willst du! Rede doch nicht solch idealen Schmus!« Petermann steckte sich wütend eine Zigarette an. »Seit wann operierst du mit solchen verstaubten Ansichten? Es gibt einen Führer – der befiehlt! Und es

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