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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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– mochte sie in ihren Idealen schwelgen, ihm war es jetzt gleichgültig geworden. Er hatte sich zu dem Entschluß durchgerungen, zu allem Ja zu sagen, was von dieser Seite an ihn herangetragen wurde. Ja, um Ritas willen, um Irene nicht zu verlieren, aus Angst, wieder als der Verbrecher Gerholdt vogelfrei durch das Land zu hetzen.
    Er fuhr mit seinem Tempowagen zurück in die Innenstadt Kölns und erinnerte sich, daß vor drei Tagen die Ziehung der zweiten Klasse seiner Lotterie gewesen war. Er parkte den Wagen auf dem Neumarkt und ging die Schildergasse hinunter zu dem Wettbüro, in dem die Gewinnlisten aushingen.
    Auf große Holztafeln aufgeklebt, hingen die Blätter ringsherum an den Wänden. Ein Schwarm von Menschen umlagerte sie, verglich die Zahlen mit den Losen; schmutzige und gepflegte Zeigefinger glitten die Zahlenrubriken hinauf und hinab, ein Murmeln, wie das Schwirren in einem Wespennest, lag über den Menschen, die ihr Glück aus dem Rotieren einer Lostrommel erwarteten.
    Gerholdt trat an die erste Tafel heran. 23 68 45 – er kannte die Zahl auswendig. Er bückte sich und fing von unten an, bei den Gewinnen zu fünf Mark. Rubrik 23 … da war sie … Sein Finger glitt die Zahlen ab … 23 42 … 23 43 … 23 46 … 23 61 … 23 67 … Nichts.
    Gewinne zu fünfzig Mark.
    Er suchte die Zahlen ab. Nichts.
    Gewinne zu hundert Mark. Nichts.
    Fünfhundert Mark. Nichts.
    Gerholdt wandte sich ab. Vielleicht bei der nächsten Ziehung. Er dachte an die Worte Irenes, daß das Glück zu denen kommt, die nicht darauf warten. Also wartete er nicht darauf.
    Er wollte das Wettbüro verlassen, als sein Blick auf ein Plakat fiel, das quer über eine Gewinnliste geklebt war. Ein blaues Plakat mit weißer, leuchtender Schrift.
    »Hauptgewinn 2. Klasse mit Prämie: 200.000 auf Los Nr. 23 68 45.«
    Gerholdt ging weiter, aber plötzlich blieb er stehen und fuhr herum. Er wirbelte so schnell um seine Achse, daß er bald einen älteren Herrn mitgerissen hätte, der wie er zur Ausgangstür strebte. Das ist doch unmöglich, dachte er. Das ist doch Wahnsinn!
    Er starrte das Plakat an. Sein Herzschlag setzte aus. Er tastete sich an die nächste Wand, lehnte sich dagegen und wartete darauf, daß seine Knie einknickten und er nach vorn aufs Gesicht fiel. Es war, als sei sein Körper plötzlich ohne Knochen. Wie eine schwammige Masse hing das Fleisch an ihm.
    23 68 45.
    Zweihunderttausend Mark. Das bedeutet bei einem halben Los, wie er es besaß, hunderttausend Mark Gewinn.
    Hunderttausend Mark. Die große Sehnsucht. Für die er Rita stahl, für die v. Buckow und seine Frau in den Tod rasten, für die er flüchtete und zum widerlichsten Lumpen wurde.
    Hunderttausend Mark! Gewonnen! Mühelos gewonnen!
    Ohne Raub, ohne Schufterei, ohne Tod, ohne Gewalt. Geschenkt vom Schicksal … ihm geschenkt … dem Verbrecher für hunderttausend Mark …
    Er legte die Hände vor die Augen und zog sie wieder weg. Die Zahl auf dem Plakat änderte sich nicht. Sie war Wahrheit, sie war nicht wegzudenken.
    Taumelnd stieß er sich von der Wand ab, trat in den Raum und ergriff einen Mann am Ärmel, der gerade das Lokal verlassen wollte.
    »Würden Sie mir bitte diese Zahl dort vorlesen«, sagte Gerholdt. Seine Stimme war heiser vor Aufregung.
    Der Mann sah ihn verwundert an, aber er las, wenn auch kopfschüttelnd, die Zahl vor.
    »Dreiundzwanzig-achtundsechzig-fünfundvierzig.«
    Gerholdt schloß die Augen. Die Welt drehte sich um ihn, das Gesumme der Menschen im Raum schwoll zu einem Tosen an, zu einem niederbrechenden Wasserfall, der ihn mitriß in Strudeln und Tiefen.
    »Bitte, noch einmal«, sagte er schwach.
    »Dreiundzwanzig-achtundsechzig-fünfundvierzig!« Der Mann befreite sich von der Hand Gerholdts und ging weiter. »Idiot!« sagte er vernehmlich.
    Gerholdt setzte sich auf eine Bank, die neben den Gewinnlisten an einer Längswand stand. Mit zitternden Fingern holte er das Los aus der Brieftasche und stierte auf die dick aufgedruckte Nummer.
    Hunderttausend Mark!
    Durch seinen Körper ging es wie ein Schlag. Er sprang auf, rannte aus dem Lokal, lief mit fliegenden Mantelschößen die Schildergasse hinunter zum Neumarkt, stürzte in eine der öffentlichen Telefonzellen, umklammerte mit beiden Händen den Hörer. Welche Situation, durchfuhr es ihn. Von einer Fernsprechzelle habe ich von Buckow angerufen, um hunderttausend Mark zu erpressen. Und jetzt habe ich sie. Jetzt habe ich sie!
    Die Nummer Irenes … Er drehte sie. Als er ihre Stimme hörte,

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