Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
verstanden, aber Sie anscheinend nicht mich.«
    »Wir ziehen beide am gleichen Strang.«
    »Aber jeder am anderen Ende.«
    »Soll das heißen …«
    Gerholdt winkte ab. »Das soll gar nichts heißen! Suchen Sie keine verfänglichen Dinge hinter Worten, die Sie ebensogut verstehen wie ich. Sie sind eine AG. Sie werden also geleitet von den Aktionären, vom Aufsichtsrat, von der Direktion. Haben Sie einmal nachgesehen, wer innerhalb eines Jahres die Majorität Ihrer Aktien erworben hat?«
    »Das interessiert mich nicht.« Herr Berger wurde steif, verschlossen. »Wir produzieren, wir haben unsere Kapazität um das Dreifache erhöht. Ist dies kein sichtlicher Beweis von der Richtigkeit unserer Prognosen?«
    »Ich würde es eher als ein Alarmzeichen ansehen. Wo sollen die ganzen Waren hin, die wir produzieren?«
    Herr Berger sah Gerholdt mitleidig an, so wie man einen Schuljungen ansieht, der das kleine Einmaleins trotz langer Übung immer wieder durcheinanderbringt. »In den Export, mein Lieber«, sagte er sanft.
    »Es wird nicht lange dauern, und das ganze Ausland wird sich sperren gegen deutsche Waren!«
    »Ach! Sie sind Kommunist?!«
    Bergers Kopf schoß vor. Wie eine Viper, die vorschnellt und zubeißt, durchfuhr es Gerholdt. Das Verhalten Bergers mahnte ihn zur Vorsicht … erst kürzlich stand in der Zeitung, daß in Köln noch einige Kommunisten verhaftet wurden und in den Klingelpütz – dem Kölner Gefängnis – eingeliefert worden waren. Als Staatsfeinde!
    »Ist alles, was irgendwie weiterschaut, bei Ihnen ein Kommunist? Wo kommt nach all den Hungerjahren das viele Geld her? Woher so plötzlich? Unsere Goldschätze sind doch minimal … das haben wir immer gesagt bekommen! Und jetzt flattern die Millionen nur so in die tote Wirtschaft und wirken wie eine Bluttransfusion!«
    »Wir drucken es selbst«, sagte Berger gemütlich. »Die Reichsdruckereien arbeiten Tag und Nacht! Deckung? Die deutsche Arbeitskraft! Die ist nicht nach Billionen zu berechnen.«
    »Und Sie glauben wirklich, daß das Ausland diese merkwürdige Währung anerkennt?«
    »Es wird es müssen.«
    »Müssen?!«
    »Ja, müssen!« Bergers Stimme wurde hart, befehlend. Er kam in den Jargon der nationalsozialistischen Propagandareden. »Das neue Deutsche Reich wird Europa und der Welt zeigen, wer der Mittelpunkt ist! Wir werden über Nacht eine Stärke aus der Erde stampfen, dem nichts entgegenzusetzen ist! Und dabei sollen, dabei müssen Sie mitarbeiten, Gerholdt! Sonst – – –«
    »Sonst – – –?«
    Bergers Augen wurden schmal. Das Joviale fiel ab. Das Nackte seines Wesens war erschreckend und brutal zugleich. »Sonst wird man Sie zwingen!«
    »Und das nennen Sie dann die ›Neue Freiheit‹?«
    Gerholdt blieb ruhig, auch bei dieser massiven Drohung. Er hatte große Lust, Herrn Berger wie vorher den winselnden Petermann einfach an den Kragen zu fassen und vor die Tür zu setzen. Doch das Gefühl, tiefer in Dinge zu blicken, die ihm bisher verschlossen waren, hinderte ihn an der Ausführung seines geradezu drängenden Willens. Herr Berger winkte abrupt ab.
    »Beim Aufbau einer Nation muß einer befehlen, und die anderen gehorchen! Auch Sie werden gehorchen, Gerholdt! Woher haben Sie übrigens das Geld, um so infernalisch unabhängig zu sein?«
    »Das geht Sie einen Dreck an, Berger«, sagte Gerholdt mit Wonne. Berger schluckte mehrmals, ehe er eine Antwort fand.
    »Ich werde die Steuerfahndung auf Sie hetzen!« drohte er Gerholdt.
    »Bitte.«
    »Die Partei.«
    »Die kann mich kreuzweise.«
    »Herr Gerholdt!« Berger richtete sich auf. »Sie beleidigen …«
    Er konnte nicht weitersprechen, weil Gerholdt plötzlich vor ihm stand. Er stand so nahe vor ihm, daß Berger das Gefühl hatte, das Zimmer wäre verdunkelt worden. Er sah nur noch die Augen Gerholdts. Sie waren kalt, entschlossen, von einer Kraft des Willens, die Berger allen Mut nahm.
    »Sie gehen jetzt sofort!« sagte Gerholdt leise. Aber seine Worte stachen in Berger hinein; fast schmerzhaft fühlte er es. »Sie können tun und lassen, was Sie wollen. Sie können die Partei anrufen, die Polizei, die Gestapo, die Steuer, von mir aus den Adolf Hitler selbst! In meinen Augen sind Sie ein jämmerliches Konjunkturschwein, das für ein paar Mark Gewinn jeder neuen Regierung den Hintern lecken würde. Und nun 'raus! Sofort!«
    Fast fluchtartig verließ Herr Berger die Wohnung Gerholdts. Es war bezeichnend für die bereits sich vollziehende Gleichheit der Gehirne, daß er auf der Straße

Weitere Kostenlose Bücher