Schicksal aus zweiter Hand
habe kein Interesse mehr an einer Zusammenarbeit mit Ihnen! Ist das klar, Herr Berger? Kein Interesse. Schluß! Punkt! Holen Sie die Maschinen ab und vergessen Sie, wer ich bin. Sie zu vergessen wird mir nicht schwerfallen!«
Er hängte ein und rieb sich die Hände. Herr Berger in Zollstock starrte auf die schweigende Hörmuschel und schüttelte den Kopf.
»Die Welt wäre trostlos ohne Idioten«, meinte er philosophisch. »Aber was zuviel ist, ist zuviel!«
Bis ins tiefste beleidigt, rief er seinen Sturmbannführer an.
Die Auszahlung der gewonnenen hunderttausend Mark erfolgte auf ein Konto der Städtischen Sparkasse Kölns, wo Frank Gerholdt sofort ein Konto eröffnete. Nachdem er das Los eingereicht hatte, nachdem die Nummer geprüft und das Los auf seine Richtigkeit untersucht wurde und als keine Fälschung erkannt wurde, stand der Auszahlung nichts mehr im Wege. Mit verzückten Augen saßen einige Tage später Gerholdt und Irene vor dem ersten Kontoauszug, den die Post gebracht hatte.
Ein Stück Papier. Darauf einige Zahlen. Aber eine ganze Welt, eine ganz neue Welt.
»Lies vor, was da steht«, sagte Gerholdt leise und hielt Irenes Hände fest. »Lies es ganz langsam.«
»Einhunderttausend Reichsmark«, sagte Irene mit schwankender Stimme.
Gerholdt nickte. Er lehnte den Kopf an Irenes Schulter und spürte, wie sie innerlich bebte und sich zusammenriß, stark zu sein vor diesem plötzlichen Glück.
»Weißt du, was das bedeutet, Irene?«
Sie nickte und legte den Arm um ihn.
»Was wollen wir mit dem Geld machen?« fragte sie zaghaft. »Wir müssen doch irgend etwas damit machen. Wir können es doch nicht einfach liegenlassen. Hast du schon darüber nachgedacht, Frank?«
Gerholdt nahm das Papier aus ihrer Hand und faltete es zusammen. Vorsichtig, als sei es ein Barscheck über hunderttausend Mark, verbarg er es in seiner Tasche.
»Das Geld gehört Rita«, stellte er fest.
Irene sah ihn aus verständnislosen, großen Augen an.
»Rita?«
»Ja. Aus ganz bestimmten Gründen. Ich kann sie dir jetzt nicht erklären. Später vielleicht … Sie hat ein moralisches Recht darauf. Die hunderttausend Mark gehören ihr. Ihr ganz allein! Aber ich werde mit ihnen arbeiten, ich werde sie vermehren, ich werde mit ihnen ein Leben aufbauen, das nicht weniger schön und glänzend sein wird, als – – –« Er stockte und biß sich auf die Lippen.
»Als – – –«, fragte Irene mit großen Augen.
»… als das, was wir uns immer erträumt haben«, vollendete er schnell den Satz. »Ein Leben ohne Sorgen.« Er umarmte Irene, um sie abzulenken, und küßte sie auf die Schläfe. »Wir haben es alle verdient.«
Das Problem, wie das Geld gut anzulegen sei, wurde wirklich zu einem Problem. Solange man kein Geld hat und von ihm träumt, ist es einfach, Luftschlösser zu bauen und Pläne zu machen. Doch das Geld in der Hand, plötzlich, wie vom Himmel gefallen, modernen Sterntalern gleich, sitzt man davor und weiß nicht, was man mit dem Reichtum beginnen soll. Alle bisherigen Pläne, geschmiedet aus der Sehnsucht heraus, einmal reich zu sein, erweisen sich als nicht so beständig und sicher, wie man es aus der sicheren Hut eines kleinen Lebenskreises heraus erdachte. Jetzt, fast nackt in eine Welt gesetzt, die anders aussah, die Gefahr im Nacken, dieses Geld wieder durch eigene Unkenntnis zu verlieren und den Sturz in das Elend wieder zu erleben, grauenhafter, nachhaltiger und ohne Hoffnung auf Rückkehr in die verlorene Sonne, wird dieses Geld eine Bürde, die man zu tragen glücklich bereit ist, die aber die Gefahr in sich birgt, den Träger entweder in die Knie zu zwingen oder einen glanzvollen Weg zu führen. Nur auf die Straße kommt es an, die man geht, auf die richtige Abzweigung an der Kreuzung des Lebens, an der man jetzt steht, einer Kreuzung ohne Wegweiser und ohne Kilometerzahl. Wege ins Ungewisse, in den Nebel der Zukunft, die offen liegt. Mit hunderttausend Mark in der Tasche.
Bei Gerholdt begann es damit, daß er seine neue Wohnung, die er bereits vor dem Gewinn gemietet hatte, renovieren ließ und endgültig von Frau Möllen wegzog.
Der Abschied war herzzerreißend. Frau Möllen zerfloß in Tränen, sie umarmte Rita, als wolle man ihr das eigene Kind aus den Armen reißen, sie klagte laut der Welt ihr unermeßliches seelisches Leid und erlebte einen großen Zusammenstoß mit dem Feldwebel außer Dienst und Kanzleivorsteher, der auf dem Flur erschien und im Kommandoton um Ruhe bat.
»Jedes Lärmen auf
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