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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Taschentuch schwenkte. Dann fuhr der Zug in einen Bogen und verdeckte mit den anderen Wagen den Blick.
    Der Fahrdienstleiter stand neben Gerholdt. Das runde, grüne Abfahrtsschild hatte er unter den Arm geklemmt.
    »Ihre Tochter?« fragte er. Gerholdt nickte.
    »Ja.«
    »Nach Ostpreußen?« Der Fahrdienstleiter lächelte wissend. »Ein sicherer Ort, mein Herr. Das letzte Paradies. Dort ist Ihre Tochter gut aufgehoben, bis wir den Krieg gewonnen haben.«
    Wortlos verließ Gerholdt den Bahnhof. Eine unerklärliche Angst drückte auf sein Herz.

4
    Während Rita in Angerburg auf dem weiten Gut der Freifrau von Knörringen lebte, mit einem Ponywägelchen durch die Felder fuhr und an den ostpreußischen Seen am Ufer herumtollte und mit dem Kindermädchen badete, sorglos, fern allen Kriegslärms und aller Sorgen, ging am Rhein die Fabrik Gerholdts in einer riesigen Feuersäule unter.
    Es war in einer Nacht, als Gerholdt und Dr. Schwab noch in der neuen Halle standen und der Veredelung des Stahles zusahen, die Dr. Schwab vervollständigt hatte. Von Berlin, vom Kriegswirtschaftsministerium, war der hochoffizielle Auftrag nach Düsseldorf gekommen, eine Stahllegierung herzustellen, die es ermöglichte, eine geplante Wunderwaffe, die in eingeweihten Kreisen V1 und V2 hieß, nicht nur herzustellen, sondern zu einem siegentscheidenden Objekt werden zu lassen. Dr. Schwab, der in Berlin die geheimsten Pläne einsah und sie zu Gerholdt mitbrachte, war teils begeistert, teils bestürzt über das, was man ihnen da in die Hand gab.
    »Wenn es gelingt, diese Raketengeschosse herzustellen, wird das Bild der Welt innerhalb kürzester Zeit gewandelt werden«, sagte er nachdenklich.
    Gerholdt saß über den Zeichnungen und studierte die geradezu phantastischen Pläne. »Es wird die Krönung unserer Arbeit sein«, sagte er leise. »Wissen Sie noch, Dr. Schwab, was Sie sagten, als Sie als junger Erfinder zu mir ins Werk kamen und mir Ihre Idee anboten: Mit meinem Stahl werden wir einmal das Weltall erobern können! Das sagten Sie damals. Ich hielt Sie für einen Phantasten – – – aber ich habe eine Vorliebe für Dinge, die außerhalb des nüchternen Verstandes liegen. Ich griff zu, ich pumpte eine Million … jetzt stehen wir vor dem Ziel! Wir werden nicht nur den Krieg gewinnen, wir werden ein neues Zeitalter einleiten. Ein Zeitalter, wie es Jules Verne und Dominik erträumten! Wir werden von kleinen Krämerseelen zu Herrschern werden!«
    »Oder wir werden untergehen«, sagte Dr. Schwab dunkel.
    »Wir?«
    »Wir alle, Herr Gerholdt. An den Fronten verbluten wir – in der Heimat zerhämmern uns die Bombengeschwader. Was gehört uns denn noch von Deutschland, wenn wir nicht einmal Besitzer der Luft mehr sind? Ich habe Angst.«
    »Das haben Sie vor Jahren schon einmal gesagt, als der Führer begann, sich für unsere Arbeit zu interessieren.«
    »Hatte ich nicht recht? Der Krieg ist gekommen.«
    »Wir werden ihn gewinnen.«
    Dr. Schwab nickte schwer. »Eben davor habe ich Angst. Was wird, wenn wir ihn wirklich gewinnen?«
    Gerholdt erhob sich und schob die Pläne zusammen. »Warum uns darüber Gedanken machen, Dr. Schwab? Wir haben einen Auftrag, der Millionen wert ist und der uns an die Spitze der deutschen Industrie führt! Er macht uns unentbehrlich! Er macht uns zur Macht! Das allein sollte maßgebend sein. Wir werden in wenigen Jahren zu einer Weltgeltung kommen. Es wird kein Mädchen auf der Welt sein, das glücklicher leben kann als Rita.«
    Er sagte es stolz, selbstbewußt, überzeugt, wirklich auf der obersten Sprosse der Leiter zu stehen, den einen Fuß schon auf der Plattform … der letzten Höhe, die erreichbar war. Dr. Schwab schwieg. Er warf lange Zahlenkolonnen auf das Papier, er rechnete und schuf mit geheimnisvollen Formeln die Grundlage einer nur in der Phantasie lebenden Wunderwaffe.
    Sie rechneten auch in dieser Nacht in der neuen Halle, als die Sirenen aufheulten und von Ferne das Brummen vieler Motoren über den Rhein dröhnte. Die Finger der Scheinwerfer pendelten über den Himmel … hier und da blitzte ein silberner Leib auf … die Flak schoß, zögernd, vereinzelt, lahm fast, sich ihrer Unterlegenheit bewußt. Sie schoß nur, weil sie schießen mußte, nicht, weil sie Hoffnung hatte, die Sintflut der Bomben, die vom Himmel fiel, aufzuhalten.
    Dr. Schwab und Gerholdt standen draußen auf dem Hof der jetzt großen und schwarz am Rhein liegenden Fabrik und starrten in den Himmel. Die Arbeiter waren in die

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