Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ging systematisch vor, um nicht den geringsten juristischen Fehler zu begehen. Brettschneider alias Weidel wurde wegen Kindesraubes verhaftet und als Frank Gerholdt bezeichnet. Das war ein kühner Griff Dr. Werners, der aber zur Folge hatte, daß der ›Fall Gerholdt‹ wieder hervorgeholt wurde und in die Maschinerie der Ermittlung rollte. Haftbefehl, Verhaftung, Vorführung vor den Haftrichter, der routinemäßig wegen Fluchtverdacht die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft bestimmte … die Akte Gerholdt war gerettet worden! Die Verjährung wurde hinfällig!
    Dr. Werner behandelte den verstörten Brettschneider mit ausgesuchter Milde und Freundlichkeit. Die Angaben stimmten genau: Die Frau Brettschneiders war kurz nach der Geburt des Mädchens gestorben. Allein auf sich gestellt, verfiel Brettschneider auf die Idee, Schecks zu fälschen, um die Arbeitslosigkeit zu überwinden und aus der Masse der sechs Millionen Hungernden herauszukommen. Da er kein Fachmann war, fielen seine Fälschungen sofort auf. Nach der Entlassung aus dem Zuchthaus und der Rückgabe seines Kindes aus der Fürsorge verzog er nach Bremen, nannte sich Weidel und machte einen Schrotthandel auf, der ihm ein Existenzminimum einbrachte, bis nach 1933 das Altmetall einen großen Wert bekam und er seinen Betrieb ausbauen konnte.
    Dr. Werner entließ Brettschneider wieder aus der Haft, nachdem sich seine Unschuld erwiesen hatte und er das Ziel erreicht sah, den Fall Gerholdt wieder auf die Tagesordnung gesetzt zu sehen. Er überließ Brettschneider dem Dezernat für Fälschungen und nahm die Akte Gerholdts wieder zu sich.
    In seinem Landhaus am Rhein ahnte Gerholdt nichts von diesem für ihn tödlichen Schachzug Dr. Werners. Er wartete. Er zählte die Jahre und wußte, daß sein Verbrechen in Kürze verjähren würde. Er hatte sogar die wahnwitzige Idee, einen Monat nach der Verjährung nach Hamburg zu fahren und sich Dr. Werner vorzustellen. Ein billiger Triumph, ein widerliches Theater, gewiß – aber für Gerholdt bedeutete dies den Abschluß mit der Vergangenheit, ein endgültiger Abschluß und eine Befreiung von einer Angst, die ihn noch immer im Inneren überschattete. Er wollte Rita sogar mitnehmen und Dr. Werner vorstellen: »Sehen Sie, Herr Rat – das habe ich aus Rita gemacht. Eine moderne Prinzessin. Sie lebt besser als bei von Buckow. Ich habe für sie geschuftet und meine Schuld damit abgetragen. Meine Schuld vor einer möglichen göttlichen Gerechtigkeit … dem Gesetz gegenüber bin ich ja straffrei geworden. Und nun lassen Sie uns die Hand reichen und auch unsere persönlichen Differenzen begraben.« Das wollte er sagen. Großmütig, ehrlich und sich damit von dem letzten Makel befreiend.
    Die Tötung Petermanns? Sie war in seinen Augen kein Mord. Petermann hatte Irene getötet. Er hatte ihm das genommen, was Petermann zerstörte … das Leben! Wie die Menschen in den Jahrhunderten vor ihm und heute noch auf Korsika und Nordafrika lebte er in der Vorstellung, damit ein gutes Werk getan zu haben. Die Vernichtung des Bösen ist die edelste Aufgabe der Rache, so heißt es im Ehrenkodex der Maffia. Wem das Gesetz nicht hilft, der hat das Recht, sich selbst zu helfen. Es war eine primitive Auffassung, aber für Gerholdt war sie die Beruhigung, die Sache mit Petermann nicht so wichtig zu nehmen wie sein Verbrechen an Werner von Buckow.
    Dr. Werner nahm es auf sich, von seinen Kollegen für seinen Mißgriff verspottet zu werden. Auch die Zurechtweisung des Polizeipräsidenten ertrug er standhaft.
    »Haben Sie noch immer keine Ruhe in dieser Sache?« fragte ihn der SS-Gruppenführer. »Wir stehen im Schicksalskampf unseres Volkes und Sie graben dusselige Fälle aus der Systemzeit aus! Was haben Sie nun davon, daß der Fall nicht verjährt ist?«
    »Nichts, Herr Gruppenführer.«
    Der Polizeipräsident sah Dr. Werner verblüfft an.
    »Das sagen Sie so daher?«
    »Ja. Im Augenblick habe ich nichts davon. Die Sache ruht wie seit Jahren. Aber ich warte auf den großen Zufall.«
    »Blödsinn!«
    »Dieses Warten wollte ich retten! Ich weiß es, Herr Gruppenführer, ich fühle es fast körperlich, daß ich ihn eines Tages bekomme!«
    »Und was haben Sie davon? Der Bursche kriegt höchstens drei Jahre, wenn das Kind noch lebt.«
    »Ich zweifle nicht daran, daß Rita lebt.«
    »Auch das noch!« Der SS-Gruppenführer trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Unwillig, erregt. »Wegen einer solchen Entführung ein solches Theater! Wir haben andere

Weitere Kostenlose Bücher