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Schicksal aus zweiter Hand

Schicksal aus zweiter Hand

Titel: Schicksal aus zweiter Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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keine Versammlungen. Ich habe sogar Göring bei seinem Besuch nicht mit Heil Hitler begrüßt, sondern mit einer leichten Verbeugung. Es fiel in dem Begeisterungsrummel gar nicht auf. Das sind alles Äußerlichkeiten, gewiß. Lächerlichkeiten vor dem, was ich mit meinem Werk zur Unterstützung des Staates tue. Das mögen Sie jetzt denken. Aber Sie wissen nicht, daß ich durch diesen Staat, diese hundsgemeine Partei, durch diese Clique organisierter Verbrecher das Liebste verlor, was ich nach Rita auf dieser Welt besaß. Sie wissen nicht, wie erbärmlich, wie abscheulich klein ich durch diese Partei gemacht wurde. Sie wollten mich durch Skrupellosigkeit vernichten … ich habe es überlebt, weil ich noch skrupelloser war! Das ist eines der großen Geheimnisse meines Erfolges. Ich heulte nicht gegen, ich heulte mit den Wölfen. Ich rannte mit dem Rudel mit, nicht, um mit an der Beute zu fressen, sondern um zu sehen, wie ich dieses widerliche Rudel auflösen kann. Und jetzt vertraue ich Ihnen wieder ein Geheimnis an: Die beste Vernichtung des Feindes ist, ihn durch sich selbst vernichten zu lassen. Man gebe ihm eine Illusion, man stärke seinen Glauben bis zu jenem Grad, wo er Irrsinn wird … man unterhöhle ihn mit der eigenen, eingebildeten Stärke. Der Zusammenbruch des sich Übersteigernden ist der leichte Sieg. Ein Sieg, bei dem man sogar mühelos verdient hat … wie ich, Herr Dr. Schwab!«
    Dr. Schwab starrte den Rücken Gerholdts an. Es war, als sei ein Staudamm gerissen und die Wassermassen drückten ihn nieder und erstickten ihn. Ein Rauschen war um ihn, ein plötzlich aufkommendes Schwindelgefühl. Er setzte sich schwer.
    »Sie sind noch teuflischer als die Nationalsozialisten«, sagte er erschüttert.
    »Wie können Sie unterscheiden, was bei mir teuflisch ist oder einfach notwendig?« Gerholdts Stimme war hart. »Ich hatte vor vielen Jahren eine Aufgabe übernommen, die keine Rücksichten kennt, weil ich damals ebenso rücksichtslos –« Er stockte und wischte sich über die Augen. »Sie werden es nie verstehen, Dr. Schwab. Und ich sagte es Ihnen auch nur, um in Ihnen ein klein wenig Verständnis zu erwecken für das, was geschehen ist, geschieht und noch geschehen wird. Wir verdienen an diesem Krieg nicht nur Millionen – wir erreichen auch die Auflösung dieses Staates damit! Wir lassen ihn mit unseren Stahlplatten zu Tode siegen! Das ist zwar die gemeinste, aber auch die lukrativste Art der Vernichtung.«
    »Und die Millionen Toten, die dieser Krieg kosten wird?«
    Gerholdt schwieg. Er wußte darauf keine Antwort. Es war eine Frage, die er sich in all den Jahren heimlich gestellt hatte. Es war eine widerliche Frage, die an die Grundfesten seiner Seele bohrte. Es war eine Frage, die ihn in diesen Jahren grau werden ließ. Was wußten die anderen davon? Sie sahen nur den großen Gerholdt, den aufsteigenden Stern der deutschen Wirtschaft. Sie sahen nur den Erfolg … nicht die immer mehr wachsende Last, die ihn niederdrückte. Nach außen hin war er kaltschnäuzig, zynisch, wenn er mit Dr. Schwab in solche Diskussionen kam. Er verkroch sich in eine Lässigkeit gegenüber allen Konsequenzen … aber zu Hause, in seinem weißen, fast schon märchenhaften Landhaus am Rhein, saß er oft in dem gläsernen Wintergarten seines Arbeitszimmers und starrte hinaus auf den dunklen, gurgelnden Strom.
    Die Gemeinheit des Lebens, die bedingungslose Schuftigkeit seines Daseins, erschütterte ihn immer wieder. Es war wie ein Sog, der ihn einmal erfaßt hatte und nun strudelnd immer tiefer zog. Mit hunderttausend Mark Erpressung fing es an, mit einer geliehenen Million in seiner Hand endete es. Ein unübersehbarer Berg des Verbrechens, der ihn in der Achtung der Menschheit höher und höher trug.
    Er stand in der strahlenden Sonne und fror.
    Kurz vor Ausbruch des Krieges, gewissermaßen in der letzten Minute, bevor die ›Größe der Zeit‹ solche Verbrechen als Lappalie abtat, schlug Dr. Werner in Bremen zu. Er verhaftete den ahnungslosen Schrotthändler Hans Weidel .
    Dr. Werner wußte zu diesem Zeitpunkt, daß der biedere Schrotthändler unschuldig war. Seine verschwiegene Vergangenheit erklärte sich damit, daß er einmal – vor zehn Jahren – wegen Unterschlagung zwei Jahre Zuchthaus abgebüßt hatte, allerdings unter dem Namen Werner Brettschneider. Das war das einzige gegenwärtige Delikt, das man dem Schrotthändler nachweisen konnte: die Führung eines falschen Namens und falscher Ausweispapiere.
    Dr. Werner

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