Schicksal des Blutes
‚Silver Angel‘ ihr verboten, da unten aufzutauchen und gewiss auch, dar ü ber zu reden. Armes Ding. Nyl benutzte sie wirklich. Allerdings wusste sie nun zum Glück, woran sie bei ihm war und konnte sich auf ihre Aufgabe konzentrieren.
Amy machte sich über die Lasagne her und spürte, wie es ihr physisch und psychisch immer besser ging. Eine Gelegenheit, mit Ny’lane allein zusammenzusitzen, würde sich nicht allzu oft ergeben. Er schien sich gleichermaßen abgeregt zu haben und war tief in Gedanken versunken. Wie gern würde sie diese lesen, aber vielleicht gelang es ihr nun, mehr von ihm zu erfahren. Nur wie knackte man eine Nuss aus Diamant?
„Du würdest jetzt gern etwas trinken, nicht wahr?“ Nyl antwortete nicht, doch i n zwischen verstand sie es, in seinem beinahe wie aus Erz gegossenen Gesicht Regungen zu erkennen. „Warum tust du es nicht?“
„Weil du dann auch etwas haben willst.“
Amy lachte auf. „Und?“
„Das würde dich enthemmen.“
Ihr Grinsen verbreiterte sich. „Dich nicht?“
„Nicht so wie dich.“
„Aha.“ Amy legte das Besteck beiseite und verschränkte die Arme, konnte sich ihre amüsierte Miene aber nicht verkneifen. „Du hast es echt schwer mit mir.“
Er seufzte, was Amy überraschte. „Du hast ja keine Ahnung.“
Hm, da hatte er natürlich recht. Wie sollte sie bei ihm auch durchblicken? Doch w a rum sagte er das? War das eine Aufforderung, nachzufragen? Genau das tat sie doch! Er könnte auch von selbst den Mund aufmachen und nicht nur schweigend dasitzen. Gut, es gab Schlimmeres, als ihn anzustarren, sich an seinen nackten Körper zu eri n nern, seine zarte Berührung …
Er knurrte leise. Sie spürte es fast nur. Es klang, als hörte er ihre Gedanken. War er in der Lage, ihre Gefühlsregungen zu empfinden? Was verbarg er noch? Amy schluc k te ihre Gedankenverrenkungen hinunter. Fragen, nicht denken.
„Zeig mir deine privaten Räume.“
Er sah auf. „Du sitzt drin.“
„Quatsch. Niemals.“
Er lachte hart auf, schüttelte leicht den Kopf und sah erneut auf den Tisch zwischen ihnen. Aber der absolut verschlossene Ausdruck seines Gesichts war einer eher nac h denklichen Mimik gewichen.
„Darf ich deine Reißzähne berühren?“
Er riss den Kopf hoch. „Nein!“
„Zu intim?“
„Du hast ja keine Ahnung.“
Die Wiederholung seines Satzes fiel ihm auf, denn als er ihr in die Augen schaute und ihr mühsam unterdrücktes Grinsen sah, hob auch er kurz einen Mundwinkel.
Plötzlich stand er auf und verließ das unbehagliche Wohnzimmer. Amy nahm ihre Sachen und folgte ihm. Im Musikzimmer entstand eine Tür in der Vertäfelung und er verschwand in dem Durchgang. Augenblicklich durchspülte Aufregung ihren Körper. Ihr Herz tat einen Sprung und ihr Gehirn schien auf wundervolle Weise in Gang zu kommen . Rasch huschte sie Nyl durch einen engen Tunnel hinterher, trat hi n aus und blieb ve r wundert stehen. Hinter ihr verriet ein Geräusch das Schließen der Tür.
„Das große Geheimnis des ‚Silver Angels‘“, sagte er mit einer Mischung aus Stolz, Melancholie und einem eigenartigen Unterton, den Amy nicht zu deuten vermochte. Spott? Wut? Resignation?
Amy ging langsam durch den großzügigen, runden Raum. Die wildromantische A t mosphäre zog sie sofort in ihren Bann. Der Fußboden bestand aus hellbraunen Hol z paneelen mit starker Maserung. Ebenso die niedrige Decke. Ab und zu dämpften dicke Teppiche ihre Schritte. An einer Wand formten grobe, dunkle Steinquader ein wu n dervolles Mosaik. Aus Schlitzen floss Wasser in ein natürliches Becken, das mit exot i schen Pflanzen bewachsen war. Das leise Plätschern erinnerte entfernt an einen Wa s serfall. Gedämpftes , warmes Licht leuchtete indirekt hinter Holzvertäfelungen. Neben ihr entzündete sich wie von Geisterhand ein Kamin. Ein Blick auf Ny’lane, der immer noch an derselben Stelle verharrte, sagte ihr, dass er diesen mental entfacht hatte. Auf einem Holzpodest vor dem offenen Kamin stand ein Glastisch, darum herum drapie r ten sich ein gemütliches Sofa und ein Sessel in dunklen Braunt ö nen. Hellere Kissen luden zum Kuscheln ein. Die Farben und Materialien brachten sie auf die Idee, woher die Inspiration für solch einen atemberaubenden Platz der Ruhe gekommen sein kön n te. Sie drehte sich mit dem Rücken zum Kamin. Dunkelbraune Skulpturen bestätigten ihre Vermutung. „Du vermisst deine Heimat“, murmelte sie in Nyls Richtung, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Er hob eine in
Weitere Kostenlose Bücher