Schicksal des Blutes
ihren pochenden Schädel. Gefühl schoss zurück in ihre schmerzenden Glieder und das war bestimmt von tief sitzender Verachtung und Wut über Ny’lanes widerwärtige Machenschaften.
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Bloody hell! Ny’lane versetzte seinen Körper in Starre, um sie nicht abermals an sich zu reißen. Amy wirkte wie ein Magnet auf ihn, zog ihn derart stark an, ließ die Bestie in ihm zittern und winseln wie einen geschlagenen Werwolf, weil er sie losgelassen hatte. Er wusste nicht wirklich, wie er hierhergekommen war. Amy hatte sich in Todesangst befunden, sein animalischer Instinkt setzte all sein Denken außer Kraft, bis er sie in die Arme gerissen hatte.
Es erschreckte ihn, wie wenig Kontrolle er über sich hatte. Er blinzelte und kam zu sich, bemerkte, wie sie fassungslos zu ihm aufschaute. Zum Glück hatte er die Hände bereits von ihren nackten Oberarmen genommen, denn nun ballten sie sich hinter seinem Rücken zu machtlosen Fäusten. Er schwankte innerlich, aber er durfte nicht nochmals schwach werden. Doch all seine Sinne zeigten ihm unaufhörlich, durch welche Hölle Amy gekrochen sein musste. Ohne ihn. Allein. Das ursprüngliche Bedürfnis, ihr zu helfen, versuchte, seine sich auferlegten Fesseln zu sprengen, um sie an sich zu ziehen, um ihre Wunden zu säubern, sie zu verschließen. Heilige Jungfrau, sie war übersät mit Kratzern, Hämatomen und Schlamm. Ihr Gesicht war unter dem Dreck zerkratzt, ihre Lippen aufgesprungen. Aus zwei unfassbar tiefen Schnitten sickerte ihr kostbares Blut in ihr zerrissenes, matschtriefendes Trägertop, tropfte wie unheilvolle Donnerschläge zu Boden. Ein Streifschuss am Oberarm. Ihre mit einer vollgesogenen Socke umbundene Hand zitterte vor Schmerz, doch sie schien es nicht zu bemerken. Oder sie zeigte es nicht. Zeigte es ihm nicht. Eine heilende Platzwunde am Hinterkopf sagte ihm, dass sie bereits vor Stunden um ihr Leben gekämpft hatte. Nyl wäre vor zorneswütender Scham erstickt, könnte er damit die hinter ihr liegenden Stunden rückgängig machen. Seine Muskeln bebten und die Fingergelenke auf seinem Rücken knackten, so sehr ballte er die Fäuste. Amy war am Ende ihrer Kräfte, ihr Magen jammerte klein wie eine Erbse, ihre Schläfen pochten vor Qual und in ihren Lungen tobte ätzender Qualm wie in den schwefeldurchsetzten Katakomben der Verdammnis. Und er starrte nur auf sie hinab, reglos, gefühllos, anstatt ihr seine Hilfe anzubieten, ihr alles zu geben. Sein Herz blutete.
Er sah sich, wie er sie sanft auf die Arme hob, sie sich an ihn schmiegte, erschöpft den Kopf an seine Schulter sinken ließ und er sie fortbrachte von diesem Ort, an dem sie niemals hätte sein sollen. Blitze schossen durch seinen Schädel, weil seine inneren Ketten kurz vor dem Zerreißen standen. Nicht mehr lange und er würde sich auf sie stürzen wie ein wildes Tier, dabei wollte er ihr nur Gutes tun. Einem Impuls folgend, der sein tiefes Bedürfnis, ihr helfen zu müssen, stillen sollte, löste er sich aus seiner Trance. Augenblicklich erlag er seiner Gabe und drang in ihre Gedanken ein, während er einen Schritt vortrat, um sie in Sicherheit zu bringen. Er musste wissen, was sie durchgemacht hatte, um ihr beistehen zu können. Um sie rächen zu können.
In ihrem Kopf tobte ein Krieg. Gedankenfetzen zogen wie von einem Tornado erfasst vor seinem Blick vorüber, zerschellten an Mauern, die Amys Bewusstsein unwillkürlich errichtete. Ein Chaos, wie er es noch nie erlebt hatte, doch der Tenor klang eindeutig zu ihm durch, sickerte in seinen Verstand wie ätzende Säure und schlug durch sein vernarbtes Herz. Sie hasste ihn! Als hätte sie ihn geohrfeigt, wich er abrupt aus ihrem Gehirn und vor ihr zurück.
„Du widerlicher Bastard!“
Nyl verschränkte die Finger erneut hinter seinem Rücken, um sie zu zähmen. Ja, das war er. Er hatte sie im Stich gelassen, war nicht rechtzeitig bei ihr gewesen, damit ihr nichts passieren, niemand ihr ein Haar krümmen konnte. Schließlich hatte er es Cira versprochen. Ein erschüttertes Knurren zwängte sich aus seinen Tiefen empor, entwich seiner wie zugeschnürten Kehle.
Amy hob das Kinn. Ihre Augen funkelten ihn zornig an. „Was tust du hier?“
Er blinzelte verborgen hinter der Brille, als wenn ihm gerade erst einfiel, dass Amy nur ein Mensch war. Sie verließ sich ausschließlich auf ihren Verstand, besaß keine angeborenen, tierischen Instinkte, die sie leiteten. Sie befand sich nicht in Afrika, weil sie ihn gewittert hatte oder weil sie
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