Schicksal des Blutes
Er stürmte vor und hängte ihr den Ledermantel über die Schultern, den er sich irgendwo zwischen Hotel und Mine von jemandem gekrallt hatte, der den Verlust verschmerzen konnte. Amy wandte sich mit verdutztem Gesichtsausdruck um, begutachtete seine nackte Brust eine Weile, ließ den Blick emporwandern, wobei er jeden Inch wie ein Züngeln ihrerseits verspürte, und sah ihm dann in die Augen. Ohne ein Wort warf sie den Mantel ab. Er fing ihn auf. „Du hast zu wenig an.“
„Für wen?“
Für mich! „Für die Männer da draußen. Für ganz Afrika.“
„Deine verunsicherten Sklaven hören doch wie dressierte Hündchen auf dich.“
„Zieh ihn an.“
„Du kannst mir gar nichts befehlen.“ Sie trat aus der Hütte. Der Junge sprang vor Schreck beiseite.
„Geh wieder arbeiten“, sagte Nyl zu ihm und hastete hinter Amy her, „und du kommst jetzt mit. Ich bringe dich von hier weg. Aber vorher ziehst du den an.“
Amy wirbelte herum und stieß ihm bei jedem Satz mit dem Finger auf einen nackten Brustmuskel. Die Berührung durchzuckte ihn jedes Mal wie elektrisch aufgeladen, während er versuchte, ihrer wütenden Schimpftirade zu folgen. Als sie endlich endete, waren sie beide völlig außer Atem. Er ließ den Arm mit dem Mantel sinken.
„Du machst mir Vorwürfe, weil du ohne meine Kenntnis nicht nach San Francisco, sondern nach Sierra Leone geflogen bist, um mich zu verfolgen und dann von der Armee bedroht, entführt und in den Dschungel gejagt worden bist? Weil man auf dich geschossen hat und weil eine Feuerrodung dich in Lebensgefahr brachte und du dachtest, dein letztes Stündlein hätte geschlagen, als die Arbeiter einer Diamantenmine auf dich zukamen?“, donnerte er los. Es schockierte ihn zutiefst, was sie in so kurzer Zeit durchgemacht hatte, während er in der Nähe gewesen war. Er kochte innerlich, sah mit zusammengekniffenen Brauen auf sie hinab. Er verging längst vor Selbstvorwürfen. Er hätte sofort reagieren müssen, als er meinte, sie zu spüren. Er wusste, welche Gefahren in solchen Ländern lauerten, besonders für eine wunderschöne, ausländische Frau wie Amy. Aber er hatte gezögert. Aus Angst, ihr mehr wehzutun als andere. Bis ihre Todesangst zu ihm durchdrang. Unverzeihlich.
Als sie nach langem Zögern den Mund öffnete, wandte er sich ab und eilte über einen schmalen Pfad. Er zog im Lauf den Mantel über, zückte das fremde Handy und orderte einen Hubschrauber. Er blieb erst stehen, als er den gerodeten Platz erreichte, auf dem dieser in einer Stunde landen würde. Auch hier hing der Geruch des schwelenden Feuers unheilvoll in der Luft, doch der Wind trug ihn in die richtige Richtung, fort von ihnen. Die Arbeiter kannten es, wussten, wie sie sich zu verhalten hatten. Mit Brandrodungen wuchsen sie in diesem Teil des Landes auf.
Amy betrat die kleine Lichtung. Ihr Gesicht wirkte versteinert. „Sie dachten, ich wäre dein Kurier.“
Nyl zuckte mühsam beherrscht mit keiner Wimper. Sie musste rasch runter von diesem Kontinent.
„Der Kerl hätte mich beinahe erschossen.“
Er erschauderte ungewollt, sah abermals vor sich, wie sie floh. Seine Fänge fuhren aus, deshalb drehte er den Kopf von ihr weg. „Der wollte dir nur Angst einjagen“, presste er die Lüge hervor.
„Und wo wollte er mich hinbringen?“
„Zu einer Gegenüberstellung? Oder er beabsichtigte, dich mürbezumachen.“ Sie im dichten Grün zu beschmutzen und zu beseitigen … „Was weiß ich?“ Seine Nerven lagen blank. Er konnte unmöglich eine weitere Stunde neben Amy stehen. Er schickte seine Sinne aus und fand, was er dringend brauchte. Er wandte sich zum Gehen.
~ ~
„Wo willst du hin?“ Die Art, wie sich seine Muskeln anspannten, hatte seine Absicht verraten, rasch zu verschwinden.
Er blieb stehen, womit sie nicht gerechnet hatte, und warf ihr einen seltsamen Blick zu. „Ich geh trinken.“
„Du willst dich jetzt …“ Es lag völlig auf der Hand. Er meinte keinen Whiskey. Blutgier und Sexlust trieben ihn. Aber sein Ausdruck passte nicht dazu. Verärgert, traurig, nachdenklich, ähnlich verwirrt wie sie. Weshalb schaute er so? Sie konnte seine Augen nicht sehen, jedoch ahnte sie, wie er starr ihre Halsseite fixierte.
„Ach, mach doch, was du willst.“
„Werde ich“, knurrte er, bevor er so rasch verschwand, dass sie nicht wusste, wohin.
Geh doch, blödes Arschloch, dachte sie und schalt sich gleich darauf. Das klang, als wäre sie eifersüchtig, dass er nicht ihr brutal in
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