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Schicksal in seiner Hand

Titel: Schicksal in seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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berühmten alten Bergmann zu arbeiten. Aber nicht so, wie ich es gehofft hatte. Nein! Praktisch von vornherein bereits abgeschossen … in der Poliklinik! Diese Kollegin Kurz hatte also doch recht gehabt …
    Er stand auf, ging zum Fenster und öffnete es. Der Garten war in silbernes Mondlicht getaucht. Es sah märchenhaft unwirklich, beinahe geheimnisvoll aus.
    Plötzlich erklang eine wohllautende Altstimme. Sie sang eine schwermütig-sentimentale Volksweise. Bruckner lauschte. Es mußte von nebenan kommen. Die Melodie gefiel ihm. Er stellte sich die unbekannte Sängerin vor: rassig, temperamentvoll, grazil und mit rätselhaften Mandelaugen voller Melancholie. Sekundenlang vergaß er darüber sogar seinen Ärger und seine Enttäuschung.
    Er holte seine kurze Pfeife hervor, stopfte sie und kramte nach Streichhölzern. Der Gesang brach ab. Dann ertönte Radiomusik – Jazz. Verärgert über diesen ›Stilbruch‹ schloß Bruckner das Fenster und machte Licht. Der Zauber war verflogen.
    Ernüchtert schüttelte er über sich selbst den Kopf. Thomas Bruckner – ein Träumer! Das war wirklich zu komisch … Wo hatte er bloß die blöden Streichhölzer gelassen?
    Da kam ihm plötzlich eine Idee. Warum sollte er nicht seine sangesfreudige Nachbarin um Feuer bitten?
    Voll neugieriger Erwartung stand er ein wenig später vor ihrer Tür und klopfte. Es dauerte eine Weile, bis ihm geöffnet wurde.
    »Ja, bitte?«
    Dr. Bruckner starrte ungläubig die Frau im Rollkragenpullover an. Sie trug dazu eine alte Cordhose und ausgefranste Strohsandalen. Die Frisur erinnerte an einen Igel in Abwehrstellung. So also sah diese ›Traum-Eva‹ in Wirklichkeit aus – ein bemitleidenswerter weiblicher Clown in Männerhosen, mit der Stimme eines Engels. Einfach grotesk!
    Mühsam konnte er ein Lachen unterdrücken. Die Situation war auch wirklich verrückt – von seiner grenzenlosen Enttäuschung ganz zu schweigen.
    »Haben Sie die Sprache verloren, Kollege Bruckner?«
    »Ich … oh, Verzeihung … ich wußte gar nicht, daß Sie meine Nachbarin sind und deshalb …«
    »… sind Sie vor Begeisterung ganz außer sich«, ergänzte Ilse Kurz ironisch.
    Sie hatte sich schnell gefangen. Ihre anfängliche Freude über Bruckners Besuch war verflogen. Offensichtlich hatte er ja gar nicht ihrer Person gegolten.
    »Was steht also zu Diensten? Wollen Sie hereinkommen?«
    »Tausend Dank! Das ist wirklich nett von Ihnen«, versicherte er schnell. »Aber ich möchte Sie nicht so … so überfallen. Ein andermal gern, Frau Kollegin. Ich habe kein Feuer …«
    »Ach!«
    »Ich meine, ich habe keine Streichhölzer«, verbesserte sich Bruckner mit einem verschmitzten Lächeln. »Würden Sie mir wohl aushelfen?«
    »Selbstverständlich! Einen Augenblick!«
    Wenig später brachte sie das Gewünschte.
    »Ich bedanke mich sehr«, versicherte Thomas Bruckner und deutete eine kurze Verbeugung an. »Ich werde Sie weiterempfehlen, Frau Dr. Kurz, liebenswürdig-charmante Nothelferin!«
    Einen Moment war sie irritiert. Hatte er gespottet? Nein! Dieses sympathische Gesicht, diese ehrlichen Augen konnten nicht lügen. Sie schob alle Zweifel, Sehnsüchte und Befangenheit beiseite. Kollegial reichte sie ihm die Hand.
    »Einverstanden, Herr Bruckner! Nur, vergessen Sie dabei bitte nicht, daß eine Schachtel Streichhölzer noch lange keinen Dauerbrenner ausmacht.«
    »Ich werde es beherzigen. Nochmals Dank und gute Nacht!«
    »Gute Nacht!«
    Nachdenklich wanderte er den Korridor entlang. Etwas frische Luft würde ihm sicher guttun. Was sollte er in seinem ungemütlichen Zimmer? Es war neun.
    Auf dem Kiesweg ertönten Schritte. Wenig später stand ein junger Mann in der Tür, stutzte, als er Bruckner erblickte, und eilte dann freudig auf ihn zu.
    »Sieh da, unser neuer Kollege!« Er streckte die Hand aus. »Erkennen Sie mich nicht mehr? Ich bin der Anästhesist. Rademacher ist mein Name, Dr. Aribert Rademacher. Na ja, im OP sieht ja jeder von uns aus wie 'ne Haremsdame, so mit Mütze und Tüllgardine.« Er lachte herzhaft über seinen Scherz.
    Thomas Bruckner stimmte ein. »Natürlich, Herr Rademacher, jetzt entsinne ich mich. Sie glaubten außerdem, ich wäre der Ehemann der zu operierenden Patientin. Stimmt's?«
    »Das hatte ich schon ganz vergessen!« In drolliger Bestürzung rollte Rademacher die Augen und griff sich in seinen blonden Haarschopf. »Wie konnte ich nur so kurzsichtig sein?«
    »Wo haben Sie denn Ihr Luxusappartement?«
    »Ihnen direkt

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